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Die Klinge des Löwen 02

Die Klinge des Löwen 02

Titel: Die Klinge des Löwen 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Weil
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zutraulich ihre Hand auf
seinen Arm. „Euch trifft überhaupt keine Schuld, im
Gegenteil! Ihr habt wahrhaftig alles Menschenmögliche für
unsere Sicherheit getan. Wer konnte auch ahnen, daß Verrat ihm
Spiele sei und dadurch unsere Reise dem Feind meines Gemahls von
Anfang an bekannt war.“
    Sie
sah ihm lange in die Augen, und in ihrem Blick lag eine so
hingebungsvolle Zärtlichkeit, daß sein Ärger im Nu
verrauchte. Er verspürte den verrückten Wunsch, sie an sich
zu ziehen, sie im Schutze seiner Arme zu bergen und ihr tröstende
Worte ins Ohr zu flüstern. Mit einiger Mühe gewann sein
Verstand wieder die Oberhand, und seine Gedanken kehrten in die harte
Wirklichkeit zurück. Zurück blieb ein Gefühl von
Betroffenheit. Anscheinend war ihm das anzusehen, denn ein
verstehendes Lächeln überzog Idas Gesicht. Sie drückte
impulsiv seinen Arm und trat dann zurück. Überrascht von
dieser an sich unscheinbaren Geste, sah er die leichte Röte auf
ihren Wangen und ihrer Stirn, und die beglückende Ahnung, daß
er ihr vielleicht doch etwas bedeute, stieg sieghaft in ihm auf.
    Aber
noch ehe er diesen Gedanken weiterspinnen konnte, brachte ihn ein
warnender Ruf Giselberts in die Wirklichkeit zurück.
    „ Der
Ur, Herr!“
    Dietrich
hob den Kopf und erblickte abermals den riesigen Auerochsbullen, der
erneut aufgetaucht und diesmal höchstens zwanzig Schritte
entfernt war. Regungslos stand der Stier am Rande der schneefreien
Fläche, in gefährlicher Nähe Berthas, die wie zu Stein
erstarrt auf einem umgestürzten Baumstamm saß und den
Knaben angstvoll umfaßt hielt.
    Mit
halb gesenktem Kopf glotzte der Bulle die beiden an.
    „ Nicht
bewegen!“ rief Dietrich der Zofe mit unterdrückter Stimme
zu. „Giselbert, versuche das Monstrum abzulenken!“
    "Und
die Pferde?" raunte der Waffenknecht. "Soll ich sie nicht
zuerst losmachen?"
    "Dazu
ist jetzt keine Zeit mehr", gab Dietrich ebenso leise zurück.
"Das Vieh ist zu nahe!"
    Giselbert
trat rasch zwischen den Pferden hervor, schwenkte die Arme und
schrie: „He, du Satansbraten, hier bin ich! Hierher zu mir, du
Sohn der Unterirdischen!“
    Der
Auerochs wandte den mächtigen Kopf, schnaubte kurz, begann
tänzelnd die Hinterhand herumzuschwenken und zeigte dem
scheinbaren Gegner seine Waffen. Dietrich, der mit Ida etwa zehn
Ellen entfernt stand, packte die Gräfin am Arm und zog sie,
rückwärts gehend, mit sich fort.
    „ Kommt“,
flüsterte er. „Nehmt Deckung hinter einem Baum, ich muß
zur Not Giselbert beistehen.“
    Der
schwarzbraune Koloß hatte sich inzwischen ganz auf den
gestikulierenden und schreienden Kriegsknecht konzentriert. Dietrich
sah verblüfft, wie schmächtig sich der baumlange,
breitschultrige Krieger gegenüber dem riesigen Bullen ausnahm,
der ihn jeden Moment angreifen konnte. Er zog mit einer vorsichtigen
Bewegung sein Schwert lautlos aus der Scheide. Gleichzeitig wurde ihm
bewußt, daß sich die Waffe angesichts der massigen
Gestalt des Urs lächerlich wie ein Küchenmesser ausnahm.
Ein paar Jagdspeere wären jetzt das Richtige gewesen, aber die
hatte man nicht zur Hand. Wer konnte auch damit rechnen, daß
sie einer solchen Situation ausgesetzt sein würden! Jagdwaffen
waren jedem vor Reiseantritt als unnützer Ballast erschienen.
Also hatte man, um der besseren Beweglichkeit willen in den Dickungen
der Wildnis, darauf verzichtet, sie mitzuführen.
    Der
Ur scharrte erregt mit dem rechten Vorderhuf über den
aufgeweichten Waldboden und schleuderte braune, mit Schnee vermischte
Erdklumpen nach hinten. Das Tier hielt den Kopf mit den mächtigen
Hörnern gesenkt, bereit, den wie ein Irrwisch vor ihm hin und
her tanzenden Giselbert anzunehmen. Mittlerweile war es Dietrich
gelungen, sich unbemerkt der Zofe und dem Kind zu nähern. Dessen
Mutter war, unsichtbar für den Stier, hinter dem dicken Stamm
einer hoch aufragenden Tanne zurückgeblieben und beobachtete von
dort schreckensbleich das Geschehen, das sich vor ihren
angstgeweiteten Augen abspielte.
    In
dem Augenblick, als Dietrich den Knaben allzu hastig auf den Arm
nahm, hob der Auerochs seinen mächtigen Schädel und blickte
zu ihm herüber. Wieder eine tänzelnde Bewegung der
Hinterhand, als wäre der riesige Körper federleicht, eine
erneute Ausrichtung auf die Menschengruppe, die das Tier zuerst im
Blick hatte und zu der sich jetzt als ein weiterer Störenfried
Dietrich gesellte. Abermals senkte der Ur seinen massigen Kopf,
zeigte den Menschlein seine furchtbaren Waffen und scharrte
schnaubend

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