Die Klinge des Löwen 02
ihren roh
behauenen, zugespitzten Stangen nach Dietrich. Sie behinderten sich
aber gegenseitig in ihrem blutrünstigen Eifer, den Mann auf dem
Felsen zu treffen. Zwei der ungeschickt geführten Lanzenstöße
wehrte er mit dem Schild ab; den dritten Holzschaft schlug er mit
einem wuchtig geführten Hieb seiner Klinge entzwei.
Aber
ihm schien es, als ginge jetzt alles unheimlich schnell, als sei
angesichts der wilden, heulenden Masse von Menschen am Fuße des
Felsengebildes nicht genug Zeit, um überhaupt wirksame Gegenwehr
zu leisten. Schon lag eine Leiter an der steinernen Plattform an,
schon kletterte eine der schmutzigen dunklen Gestalten affenartig
rasch daran empor, schon sprang auch in seinem Rücken der
Angriff brüllend auf, als bestände die Meute nicht aus
einzelnen Figuren, sondern wäre ein einziger raubtierhafter
Organismus, der nur ein Ziel vor Augen hatte - seine und seiner
Schützlinge Vernichtung.
Ein
Blick rückwärts ließ ihn zusammenzucken, fegte aber
die schockartige Lähmung hinweg, die ihn angesichts des
geballten Tötungswillens der Horde zu erfassen drohte. Dort, auf
der Rückseite, lag jetzt auch die zweite Leiter an. Gleichzeitig
sah er, wie Ida ungeachtet der Holzstangen, die nach ihr stießen,
soeben ihren Fackelbrand aus dem Feuer zog. Einer der Angreifer hatte
die Leiter erklommen und war dabei, die Plattform zu entern, da
rammte ihm die junge Frau die lodernde Fackel ins Gesicht, daß
er schreiend rückwärts über die Felsplatte
hinaustaumelte und schwer auf dem Waldboden aufschlug, wo er in
eigenartig gekrümmter Stellung regungslos liegen blieb.
Bertha
hatte sich über den wimmernden Knaben geworfen und flehte
verzweifelt zum Himmel: „Großer Gott, hilf uns! Herr im
Himmel, rette uns!“
Dietrich
sah, daß die unmittelbare Gefahr auf der rückwärtigen
Seite durch Idas beherztes Eingreifen vorerst gebannt war, und wandte
sich wieder der vorderen Front zu. Vor ihm sprang eine dunkle Gestalt
von der Leiter auf das Plateau und hob die mitgeführte,
nagelbestückte Keule zum Schlag. Dietrichs Klinge blitzte für
einen unendlich kurzen Moment im Sonnenlicht auf, während sie,
von seiner sicheren Hand geführt, mit fast unhörbarem
Zischen die Luft durchschnitt und mit einem weich rauschenden Ton das
Haupt des Räubers vom Rumpf trennte. Sein Kopf fiel hinunter und
rollte wie ein Ball bis zu einem Baum, der seinen Schreckenslauf
aufhielt; der kopflose Körper sackte über den Felsenrand
und plumpste wie ein Mehlsack auf die Erde. Mit einem Fußtritt
stieß Dietrich die Leiter um und eilte auf die andere Seite, wo
ein weiterer zerlumpter Mensch über die dortige Leiter
heraufkam. Er sah, daß Ida nicht an den Kerl herankam, weil
dieser sie mit seiner Lanze zurückhielt.
Rasch
sprang Dietrich hinzu, trat im rechten Augenblick mit einem Fuß
auf den Schaft der Holzstange, daß sie in zwei Teile
zersplitterte, und stieß dem Halunken das Schwert in die Brust.
Neben ihm stand, einer kampfbereiten Amazone gleich, Ida, jetzt in
jeder Hand eine brennende Fackel haltend.
„ Gegrüßet
seist du, Maria, voll der Gnaden...“ Nur nebelhaft nahm
Dietrich die gestammelten Gebete der Zofe wahr, denn schon waren zwei
der Schurken an der gegenüberliegenden Felsflanke dabei, die
Plattform zu erklimmen. Und während er einen Herzschlag lang
überlegte, was als nächstes zu tun sei - zuerst sich der
beiden Kletterer zu erwehren oder die im Moment herrenlose Leiter auf
der anderen Seite umzustürzen -, eilte Ida mit vom Kampf
erhitzten Gesicht an ihm vorbei zu der am meisten gefährdeten
Stelle. Mit aller Kraft schlug sie dem Mann, der die obere Felskante
bereits erreicht hatte, den Fackelbrand um die Ohren, daß die
Funken stoben. Mit gutturalem Laut stürzte der Mensch auf die
Erde hinunter. Sein hinter ihm befindlicher Komplize wurde
mitgerissen und fand sich ebenfalls auf der Erde wieder. Dietrich war
neben die Gräfin gesprungen und schützte sie mit seinem
Schild vor zwei wütend geführten Lanzenstößen,
während sie mit einem spitzen Schrei die niederbrennende Fackel
zwischen die verbliebenen zwei Verbrecher schleuderte.
„ Herr
im Himmel, achtet auf euren Rücken!“ kreischte Bertha, und
Dietrich fuhr mit gezückter Waffe herum. Drei Figuren in Lumpen
hatten die Felsplatte erklettert. Zwei von ihnen warfen sich auf ihn,
der dritte stürzte sich auf die Zofe und das Kind. Ida war zur
Seite gewichen, bereit, mit ihrem zweiten Feuerbrand zuzuschlagen.
Mit
schnellem Blick erfaßte
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