Die Klinge des Löwen 02
Pose der Gemahlin seines Lehnsherrn nur in lauterem
Minnedienst weihen würde. Der Junge war eher in gewisser Weise
ein Draufgänger, und da war alles möglich...
Der
geisterhafte Ruf eines Steinkauzes weckte den Grafen aus seinen
trüben Gedanken. Rasch schloß er das Fenster und trat in
den Raum zurück. Ohne ein Licht anzuzünden, entkleidete er
sich und legte sich in das riesige Bett, das ein mit Stroh gefüllter
Holzkasten war, dem eine mit Fellen bedeckte Matratze auflag. Die
dicken Vorhänge, die im Winter das Bett umschlossen, um die
Kälte abzuhalten, waren jetzt zurückgeschlagen.
Aber
der Schlaf schien den Grafen zu fliehen. Es war in dem Raum kühler
als draußen, und Max begann zu frösteln. Er deckte sich
mit einem der Felle zu, und bald fühlte er, wie die aufkommende
Wärme ihm guttat. Doch dadurch steigerte sich auch die
Gedankenflut in seinem Kopf und damit sein Mißtrauen. Der
wachsende, eifersüchtige Zorn über seine Gemahlin infolge
ihres möglichen Fehltrittes hielt ihn wach und unterdrückte
für geraume Zeit jede vernünftige Regung.
Endlich
aber gewann doch die Erinnerung an andere Tatsachen bei ihm die
Oberhand. Wie konnte er nur so ein Narr sein und sich Dinge
vorstellen, die sicher niemals geschehen waren! Mit seltener Klarheit
wurde ihm plötzlich bewußt, welche Meinung Ida
hinsichtlich Dietrichs all die Jahre vertreten hatte. Wie oft hatte
er sich ihre verletzenden Äußerungen über den jungen
Mann, der ihm damals wie ein Sohn geworden war, anhören müssen!
Hatte nicht sie "diesen Sproß eines umherziehenden
Abenteurers", wie sie sich mitunter abfällig ausdrückte,
für unwürdig gehalten, ein Mitglied der Ritterschaft zu
werden? Er, Max, war es doch, der ihre mitunter beißende Kritik
an dem Jungen abzumildern suchte. Und er war es doch gewesen, der
trotz ihres Widerstandes Dietrich schließlich die Schwertleite
ermöglichte.
Er
atmete tief durch. Jetzt sah er klar. Niemals würde Ida es
zugelassen haben, daß Dietrich sich ihr ungebührlich
näherte! Zu groß war ihre Abneigung gegen ihn.
Sonderlich
beruhigt fühlte sich Graf Max durch diese Erkenntnis allerdings
immer noch nicht. Und da er von wankelmütiger Wesensart war,
stand die neu gewonnene Überzeugung, daß beide unschuldig
seien, auf unsicheren Beinen. Da waren doch die Zeugenaussagen, kam
es ihm in den Sinn.
Alles
Lüge, dachte er verbissen. Aber der Stachel des Zweifels saß
ihm bereits wieder im Gemüt. Vielleicht war es wirklich das
beste, den Kerl mit Adelheid zu vermählen und ihn auf die
Thiersburg abzuschieben? Das unausrottbare Mißtrauen des Grafen
steigerte sich zur Gewißheit, daß nur so das Problem aus
der Welt geschafft werden konnte.
Max
richtete sich im Bett auf. Eine Idee nahm in seinem Kopf Gestalt an,
die ihm mehr und mehr behagte - er mußte morgen früh mit
Herzog Berthold sprechen! Das mußte noch vor dem Zweikampf
geschehen. Er begann fieberhaft, sich im Geist einen Plan
zurechtzulegen. Wenn Dietrich siegte, mußte der Herzog
persönlich ihm eröffnen, daß er Adelheid von Husen zu
ehelichen habe! Der junge Ritter würde es nicht wagen, sich der
Autorität des Fürsten zu widersetzen.
Und
Max begann in der Dunkelheit zufrieden zu lächeln. Ja, so würde
es gehen! Er selbst konnte sich damit jede Auseinandersetzung mit
Dietrich ersparen. Denn insgeheim war er sich bewußt, daß
er sich gegen seinen Vasallen in diesem Punkt niemals aus eigener
Kraft durchsetzen würde. Insofern hatte Elisabeth den falschen
Mann gewählt, als sie sich ihn als Überbringer der heiklen
Botschaft ausgesucht hatte. Aber das brauchte sie nicht zu wissen.
Ihr zeitweiliger Übermut ging ihm sowieso gegen den Strich.
Allerdings mußte er ihr zugestehen, daß sie ein
raffiniertes Frauenzimmer war - ihr Vorschlag war tatsächlich
die Lösung für alle Beteiligten, und mit Hilfe des Herzogs
war er zu verwirklichen!
Erleichtert
darüber, endlich einen gangbaren Weg gefunden zu haben, ließ
er sich zurücksinken und schloß die Augen. Noch einmal
zogen einzelne Bilder des vergangenen Tages an ihm vorüber,
vermischten sich allmählich mit den unwirklichen Bruchstücken
eines Traumes, bis er schließlich erschöpft in einen
unruhigen Schlummer fiel.
Draußen
vor den Fenstern dämmerte bereits der neue Tag herauf.
*
Am
frühen Morgen war der Knappe Roland dabei, Dietrichs Streitroß
Titus aus dem Stall nach draußen zu führen, um es für
den Speerkampf vorzubereiten. Rolands Wolfshund strich über den
Hof und vertrieb
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