Die Klinge des Löwen 03
nämlich die Hähne
an zu krähen!"
Langsam
klärten sich seine Gedanken, und er wurde nun seinerseits
unwirsch. "Wie kannst du dich so erniedrigen, mitten in der
Nacht in das Schlafgemach eines fremden Mannes einzudringen? Wenn das
jemand sieht..."
"Fremder
Mann?" rief sie hohnlachend. "Ich habe schon bessere Späße
von dir vernommen! Aber kommen wir zur Sache. Hat der Page gestern
abend noch vor deiner Tür gestanden?"
"Ja,
der war da."
"Hat
er dir ausgerichtet, daß du mich aufsuchen solltest?"
"Natürlich.
Ich wäre auch gekommen, wollte mich nur etwas ausruhen, und
dabei muß ich eingeschlafen sein."
Mit
bitterem Lachen schüttelte sie den Kopf. "So ist das also!
Wenn meine Liebe nach dir verlangt, dann schläfst du ein!"
"Hör
doch auf, hier herumzuschreien! Es braucht nicht jeder zu wissen, daß
du in meiner Kammer bist!" sagte Dietrich verärgert. Dann
aber bezähmte er sich und setzte begütigend hinzu: "Komm,
setz' dich neben mich."
Der
milde Ton, in dem Dietrich das sagte, tat seine Wirkung. Idas Zorn
verrauchte so schnell, wie er aufgeflammt war. Sie stellte den
Kerzenhalter auf den Boden und setzte sich zu Dietrich auf das Lager,
wobei sie zart ihren Kopf an seine Schulter legte. "Ach, warum
ist es so schwer mit dir?" seufzte sie. "Und dann der
fürchterliche Krieg! Immer wenn ich deine Nähe brauche,
bist du nicht da, weil du dich mit diesem Slawenpack herumschlagen
mußt. Nimmt das denn nie ein Ende?"
Er
nickte mit düsterer Miene. "Vielleicht ist es schon bald
vorbei!..."
Erschrocken
richtete sie sich auf. "Wie meinst du das?"
"So,
wie ich es sage. Den Außenbereich der Burg müssen wir wohl
aufgeben, wenn sie wieder angreifen. Das Haupttor ist zerstört,
sie haben jetzt freien Zugang in den Zwinger, und somit können
sie die Ringmauer oder das Südtor oder beides angreifen."
"Mein
Gott, so schlimm ist es - und niemand, der uns hilft?"
"Ich
habe Roland zur Geroldseck um dringenden Beistand geschickt. Aber
niemand ist erschienen - offenbar meint der Geroldsecker, wir sollten
die Kastanien allein aus dem Feuer holen. Der wird sich noch wundern,
wenn die Steppenwölfe erst vor seinen Mauern heulen!"
Ida
legte den Arm um seine Schultern. "Dann laß uns noch ein
wenig glücklich sein, Liebster. Wer weiß, ob wir den
kommenden Abend noch erleben!"
Sie
ließ sich zurücksinken und zog ihn sanft mit sich. Die
flackernde Kerzenflamme warf ein zitterndes Licht in den kleinen
Raum, der außer dem Schlaflager nur noch eine wurmstichige
Truhe und einen alten, abgenutzten Armsessel enthielt. Dietrich
vergaß abermals sein Gelübde, und ihrer beider Begierde
verdrängte die Furcht vor der nahen Zukunft in einem neuen Sturm
der Leidenschaft.
Einen
Sturm ganz anderer Art braute am frühen Morgen der Wettergott
über Burg und Land zusammen. Die Luft war schwer von
Feuchtigkeit, und den Slawen schien angesichts der herrschenden
Schwüle die Lust zum Kämpfen vergangen zu sein. Blitze
zuckten aus den finsteren Wolken, die sich über der Ebene
zusammengezogen hatten und nun von einem aufkommenden Wind gegen die
Berge im Osten getrieben wurden. In immer kürzeren Abständen
krachte der Donner, und es war, als würde der trichterförmige
Eingang des Künzigtales das schwere Gewölk förmlich
ansaugen.
Schließlich
entlud sich das Gewitter in heftigem, rauschendem Regen, der in
kurzer Zeit jede Mulde und jeden Graben unter Wasser setzte.
Dietrich, der zur Wehrplatte des Bergfrieds hinaufgestiegen war, weil
er nur von dort sehen konnte, wie es bei den Slawen hinter den
Palisaden aussah, stellte erleichtert fest, daß die
aufgehäuften Strohbündel für den Tribock
offensichtlich völlig durchnäßt waren. Somit ging von
dieser Seite vorläufig keine Gefahr mehr aus.
Trotzdem
hellte sich seine düstere Miene nicht auf. Ihn plagten an diesem
Morgen Selbstvorwürfe, die nichts mit der Belagerung zu tun
hatten. Die schwarzen Gedanken, die sein Gemüt verfinsterten,
kreisten um seinen erneuten Treuebruch in der vergangenen Nacht. Wie
sollte er jemals Adelheid unbefangen vor die Augen treten, wenn er
sich immer wieder von der durch Idas Verhalten ausgelösten
Sinnenlust überwältigen ließ? Als besonders
bedrückend empfand er es, daß sich das nie ändern
würde, so lange er mit der Geliebten unter demselben Dach
wohnte. An diesem Morgen, zwischen Donnerschlägen, blendenden
Blitzen und dem ohrenbetäubenden Trommeln des Regens auf dem
Turmdach, fragte er sich, ob das, was Ida und er miteinander
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