Die Klinge des Löwen 03
tauchten die
Ausläufer der dichten Wälder des Berges Brandeck auf, so
daß das Dämmerlicht um Roß und Reiter noch schwächer
wurde. Da stießen sie unvermittelt auf Greif, der vor ihnen mit
gespitzten Ohren auf seinen Hinterbacken saß, sich beim
Näherkommen des Ritters aufrichtete und seinen schnaubenden
Freund Titus freudig begrüßte, als hätten sie sich
lange nicht gesehen. Dietrich erkannte trotz des herrschenden
Zwielichts, daß der Hund tatsächlich die Abzweigung des
gesuchten Pfades gefunden und auf sie gewartet hatte.
Dietrich
lächelte und lobte ihn. "Braver Hund! Guter Hund!"
Er
beschloß, nun zu Fuß weiterzugehen, und ließ sich
aus dem Sattel gleiten. Der steile Bergpfad war nur grob angelegt,
und er hatte keine Lust, sich den Kopf an den ab und zu in den Weg
ragenden toten Ästen der Tannen zu stoßen. Nachdem klar
war, wohin die Reise ging, übernahm der schwarze Wolfshund
wieder die Spitze und war bald erneut im Nebel verschwunden.
Allerdings bemerkte Dietrich, daß es trotz des dichten Waldes
allmählich heller wurde, je höher sie kamen. Und
tatsächlich lichtete sich die graue Masse und dann dauerte es
nicht mehr lange, bis das Dreigespann im strahlenden Sonnenschein
dahinzog. Zwar wurde das Tageslicht von den hoch aufragenden,
schlanken Tannen ein wenig gedämpft, aber durch die dazwischen
eingesprengten, jetzt blattlosen Buchen und Eichen vermochten sich
die goldenen Strahlenbalken trotzdem ihren Weg zur Erde zu bahnen,
und sie erhellten in diesem schweigenden Wald nicht nur den Pfad,
sondern auch das Gemüt des einsamen Wanderers.
Nun,
da er den Nebel hinter sich gelassen, eilte Dietrich mit seinen
Tieren schneller vorwärts. Ziemlich hoch am Berg, wo der Wald
schütterer wurde und die Novembersonne vom tiefblauen Himmel
ungehindert ihre wärmenden Strahlen zur Erde schickte, tanzte
sogar noch der eine oder andere Schwarm winziger Mücken in der
milden Luft. In einer nach Süden geöffneten Mulde sah der
Ritter schließlich die im breiten Sonnenlicht liegende
Behausung des Mönches, der in seiner braunen Kutte vor der Hütte
neben einem mächtigen Hackklotz stand. Er hielt eine Axt in
beiden Händen und war offenbar beim Holzspalten von Greif
gestört worden, der vor ihm stand und sich mit schräg
gelegtem Kopf die Frage anzuhören schien, was zum Teufel er
allein in diesem Wald zu suchen habe.
Offensichtlich
genügte dem Mönch das Schwanzwedeln des "pelzköpfigen
Ungeheuers" als Erklärung nicht, denn er war eben dabei,
eine Strafpredigt vom Stapel zu lassen, in der Schimpfwörter wie
"Wilderer", "Streuner", "Mordbube" und
dergleichen mehr vorkamen. Zum Glück für den aufmerksam
lauschenden Hund gewahrte Bruder Josef im nächsten Moment
Dietrich, der mit Titus am Zügel lachend herankam.
"Spart
Euren Atem!" rief dieser dem Mönch zu. "Greif hat sich
heute nichts zuschulden kommen lassen. Er war sozusagen meine
Vorhut."
Der
Mann in der braunen Kutte stützte sich auf den langen Stiel
seiner Axt und schmunzelte. Mit einer Kopfbewegung zu dem mit
gespitzten Ohren dastehenden Hund rief er: "Da hab' ich dem
Teufelsvieh ja Unrecht getan!"
"Ach,
wißt Ihr, der hat nicht umsonst so ein dickes Fell. Da dringen
Eure herben Worte schwerlich durch."
Bruder
Josef lehnte die Axt gegen den Hackklotz und empfing Dietrich mit
ausgestreckten Händen. "Ich freue mich, daß du
endlich den Weg zu mir gefunden hast! Und so schönes Wetter hast
du dir ausgesucht - der Himmel scheint deinen Besuch zu befürworten!"
Dietrich
ließ Titus los und reichte dem Mönch die Rechte, die
dieser bewegt schüttelte. "So schön ist das Wetter bei
uns draußen nicht", entgegnete er auf Bruder Josefs
Bemerkung. "Weit herauf herrscht dicker Nebel, und einfach war
es nicht, den Weg zu Euch zu finden!"
Der
Mönch hielt Dietrichs Hand fest und sah ihn forschend an. "Und?
Was führt dich zu mir? Mir scheint, du hast große Sorgen!"
Dietrichs
Miene verdüsterte sich, Er entzog dem Einsiedler seine Hand und
hob sie mit einer hilflosen Gebärde. "Wir haben Krieg
draußen im Land, wißt Ihr das nicht?"
"O
ja, das weiß ich wohl. Der wird auch noch eine Weile dauern."
Er
blickte den Besucher mit seinen auffallend hellen Augen an, als
wartete er ab, bis dieser mit seinem Anliegen herauskäme. Der
junge Ritter nickte nachdenklich. "Seht, deswegen bin ich hier.
Es türmen sich so viele Probleme vor mir auf, daß ich
manchmal wünsche, ich hätte mein altes Hofgut wieder und
könnte in Ruhe und Frieden
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