Die Klinge des Löwen 03
zumindest einen
Fingerzeig von dem Einsiedler erhofft. Mit seinen dunklen Andeutungen
konnte er jedoch wenig anfangen. Es hatte auch keinen Zweck, sie mit
dem Verstand ergründen zu wollen, was den Ritter auf seinem
einsamen Heimweg aber nicht daran hinderte, über die jetzt
anstehenden Notwendigkeiten nachzudenken. Während außen in
dem zähen Nebel alles ungewiß aussah, wurde ihm in seinem
Innern mit schmerzhafter Klarheit bewußt, daß kein Mensch
ihm helfen konnte, wenn er sich nicht selber half.
Und
plötzlich bekamen die vagen Andeutungen des Mönches für
Dietrich wenigstens in einer Richtung einen Sinn: Er hatte für
die Sicherheit der Ortenburg und ihres Einflußbereiches zu
sorgen. Allein darauf mußte sich jetzt sein Denken
konzentrieren. Seine erste praktische Überlegung war, sofort
nach seiner Rückkehr die Wachen zu verstärken und
vorgeschobene Beobachter weit vor der Burg an verschiedenen Plätzen
zu postieren, die rechtzeitig warnen sollten, falls ein größeres
Aufgebot feindlicher Kräfte auftauchte. Denn ihm war - vor allem
durch die Bemerkungen des Mönches - klar geworden, daß
sein abweisendes Verhalten gegenüber den am Morgen aufgetauchten
Slawen nicht ohne Folgen bleiben würde.
*
Nachdem
Dietrich die Nebelwanderung glücklich hinter sich gebracht
hatte, begab er sich sofort, nachdem er die Burg betreten, zu den
Unterkünften der Waffenknechte. Er ließ Giselbert rufen
und befahl ihm, die Wachen für die Nacht zu verdoppeln. Außerdem
hieß er ihn, zwei Mann einzuteilen, die bei Tag zwei
Pfeilschußweiten vor dem Weiler unter der Burg im Norden und
Süden Beobachtungsposten beziehen sollten. Im nach Osten
gerichteten Rücken der Burg erhoben sich die
Schwarzwaldvorberge, deren Wald vor den Mauern ein gehöriges
Stück weit gerodet war, so daß feindliches Kriegsvolk sich
nicht ungesehen nähern konnte. Damit drohte nach Dietrichs
Einschätzung von dort keine unmittelbare Gefahr. Im Westen lag
das flache Land ausgebreitet vor der Burg und war weit genug
einzusehen, um auf vorgeschobene Wächter verzichten zu können.
"Mit
den beiden zusätzlichen Spähern vor Dattenwiller sind jene
Windrichtungen gesichert, aus denen das Steppenvolk kommen kann",
bemerkte er zu Giselbert. "Ein weiteres Mal sollen sie uns als
ungebetene Besucher nicht überraschen!"
Giselbert,
der bei ihm inzwischen zum Hauptmann der Burgbesatzung aufgestiegen
war, pflichtete ihm in seiner bedächtigen Art bei: "Ja, die
Slawen sind unberechenbar. Man muß bei ihnen Tag und Nacht
übler Taten gewärtig sein. Mir scheint, der Teufel berät
sie bei ihren unmenschlichen Einfällen! Da lebt es sich für
uns wahrhaftig ruhiger, wenn zwei zusätzliche Mannen vor dem Ort
unten die Augen offenhalten."
"So
ist es, Giselbert, denn würde unsere Burg fallen, wäre das
Land verloren. Ich habe das Gefühl, daß die Führung
des Slawenheeres genau weiß, daß die Ortenburg ein
Hindernis für sie ist, das sie nicht umgehen kann."
"Ihr
meint, sie werden uns auf jeden Fall angreifen?"
"Wenn
sie wirklich ins hintere Künzigtal und über die Berge
vorstoßen wollen, um eine Entscheidungsschlacht gegen König
Philipp zu erzwingen, haben sie gar keine andere Wahl. Sie können
es sich nicht leisten, uns in ihrem Rücken zu wissen, und
deshalb werden sie uns wohl kaum ungeschoren lassen."
"Warum
eigentlich nicht? Wenn sie uns vorher belagern und versuchen, unsere
Burg zu brechen, verlieren sie doch viel Zeit und womöglich
zahlreiche Krieger?"
"Das
mag schon sein. Natürlich könnten sie einfach auf ihr Ziel
losmarschieren. Aber würdest du das tun, wenn das besetzte
Gebiet hinter dir noch nicht fest in deiner Hand ist? Gerade unsere
Burg ist ein Sammelpunkt, von dem plötzlicher Widerstand
ausgehen könnte, wenn es uns gelänge, genügend
Bewaffnete zu vereinen. Und das wissen die Slawen inzwischen."
"Aber
deren Heerführer könnte doch eine Abteilung in den Eingang
des Künzigtales legen, sozusagen als Sperrgürtel, der den
Rücken des Hauptheeres sichert. Sie könnten damit sogar
verhindern, daß wir Boten in die südlichen Gaue senden, um
unsere Edelleute über die Lage und die Möglichkeiten zu
unterrichten."
Dietrich
schüttelte den Kopf. "Die Ortenburg ist der Pfahl im
Fleisch der slawischen Macht. Kein Heerführer kann es riskieren,
im Feindesland eine starke Burg in Ruhe zu lassen, wenn er sie als
Sammelplatz für einen Aufstand gegen seine Besatzungsmacht
fürchten muß. Im Falle der Slawen kommt noch hinzu, daß
sie uns zwar
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