Die Klinge des Löwen 03
in der offenen Feldschlacht besiegten, dabei aber auch
einige Verluste erlitten. Sie werden es deshalb nicht mehr wagen,
eine starke Abteilung aus ihrem Heer auszugliedern und uns als
Bewachung vor die Nase zu setzen. Der feindliche Kriegsherr weiß
gewiß, daß er jeden Mann braucht, wenn er gegen König
Philipp antritt."
"Dann
steht oder fällt also tatsächlich alles mit unserer Burg!"
sagte Giselbert nachdenklich.
"Ganz
recht, mein Lieber!" sagte Dietrich und schlug ihm aufmunternd
auf die Schulter. "Unser Schicksal wird das der Mortenau sein -
führt es zu einem guten Ende, dann wird auch unsere Region
wieder aufblühen. Andernfalls..."
Er
beendete den Satz nicht. Giselbert sah ihm mit ernster Miene ins
Gesicht und sagte in fast feierlichem Ton: "Herr Dietrich, so
lange ich lebe, wird es niemals ein 'Andernfalls' geben, das schwöre
ich Euch!"
"Wir
werden sehen", sagte Dietrich in zweifelndem Ton und blickte
sich um. "Es wartet noch viel Arbeit auf uns, bis die Burg so
vorbereitet ist, daß sie einer längeren Belagerung
standhält. Die Einteilung der Sonderwachen war nur ein Anfang.
Morgen werden wir planen, was noch alles getan werden muß."
Aus
diesem Vorsatz wurde jedoch am nächsten Tag nicht viel. Die
Sonne hatte sich mit Hilfe des aufkommenden Südwestwindes
endlich wieder einmal gegen den Nebel durchgesetzt und in der Mitte
des Vormittags die grauen Schwaden bis weit in die Rheinebene hinaus
aufgelöst. Dietrich war mit Giselbert dabei, sich vom Wehrgang
der Ringmauer aus über den Zustand der Dächer von Ställen
und Mannschaftsunterkünften ein Bild zu machen. Es ging um die
Frage, wie die Gebäude im Falle eines Angriffes am besten vor
Brandpfeilen geschützt werden könnten. Während sie
noch die Möglichkeit erwogen, mögliche Feuer mit Sand zu
löschen, den das alljährliche Hochwasser der Künzig
stets im Frühjahr in üppigen Mengen ablagerte, wurden sie
durch das Hornsignal eines der beiden Torwächter aus ihrer
Betrachtung gerissen.
"Was
erwartet uns heute wieder für eine Überraschung?"
murmelte Dietrich unwillig. "Sieh nach, Giselbert, was die
Wachen aufgestört hat!"
Dietrich,
der auf der Mauer zurückblieb, sah mit ungeduldig in die Hüften
gestemmten Fäusten dem Waffenknecht nach, wie dieser den inneren
Burghof verließ und sich eilig zur Torhalle begab. Er hörte
die ruhig klingende Stimme eines der beiden Wächter, ohne jedoch
zu verstehen, was er seinem Hauptmann berichtete.
"Na,
die Slawen scheinen es diesmal nicht zu sein, sonst würde es im
Torhaus aufgeregter zugehen!" murmelte Dietrich vor sich hin.
Neugierig geworden, lehnte er sich gegen eine der Zinnen, legte die
Arme auf die Brüstung und wartete gespannt, wer da wohl Einlaß
begehrte. Ihm schräg gegenüber, hoch oben auf den kahlen
Ästen einer einsamen, am südlichen Ende des Zwingers
emporragenden Buche, saßen ein paar Rabenkrähen und ließen
abwechselnd ihr ordinäres Gekrächze hören. Über
allem spannte sich ein samtblauer Himmel, unter dem einige Wölkchen
wie Vogelflaum friedlich dahinsegelten.
Dietrichs
Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, bis er endlich sah, wie
es in der Torhalle heller wurde - ein Zeichen, daß man die
Zugbrücke senkte. Kurz darauf hörte er Hufschlag über
die Brückenbohlen poltern, und schließlich lenkten drei
Reiter ihre Pferde in den äußeren Burghof. Interessiert
beobachtete er, wie Giselbert die Besucher vor der Torhalle im
Zwinger in Empfang nahm, und gewahrte erstaunt, daß sein
Hauptmann sich vor einem der Reiter erfurchtsvoll verbeugte, ehe er
die Gruppe zum Südtor geleitete. Die Krähen waren
verstummt, und als die Menschen sich ihrem Standort näherten,
schwangen sie sich als vorsichtige Rabenvögel in die Lüfte
und schwebten gelassen über die Burg hinweg, um sich in sicherer
Entfernung auf der Gerichtslinde außerhalb der Mauern
niederzulassen.
Dietrich
sah, als die kleine Schar sich näherte, daß zwei der
Berittenen Helm und Lederbrünne trugen und mit Schwert, Schild
und Lanze bewaffnet waren. Und im nächsten Augenblick erkannte
er die beiden - es waren seine eigenen Waffenknechte, die auf der
Thiersburg ihren Dienst versahen. Der dritte hielt sich wie zum
Schutz in ihrer Mitte und trug einen pelzbesetzten dunklen Umhang mit
Kapuze. Das einzige, was Dietrich bei dem Fremden von seinem Standort
aus erkennen konnte, war dessen knabenhafte Gestalt. Eine dunkle
Ahnung stieg in ihm auf, und nun hielt es ihn nicht länger auf
der Mauer. Er eilte die schmale,
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