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Die Klinge des Löwen 03

Die Klinge des Löwen 03

Titel: Die Klinge des Löwen 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Weil
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Luft leuchten, und das Schaumkraut bedeckte fröhlich
die Wiesen mit einem rosa Schleier. Meisen, Amseln und die
zurückgekehrte Mönchsgrasmücke sangen und flöteten
in den Bäumen und auf den Mauern der Ortenburg, und aus den
Gesichtern der Menschen wichen Angst und Ungewißheit, die sich
während der Herrschaft dieses Eiswinters tief in ihre Mienen
eingegraben hatten. Nur Jost von Ullenburg schlich nach wie vor
trübsinnig umher, wenn er nicht gerade gebraucht wurde. Aber das
tat der guten Laune der Leute um ihn herum keinen Abbruch. Eine
zaghafte Zuversicht machte sich breit, man hörte allmählich
wieder Scherzworte und Lachen, und bald sah es für einen
unvoreingenommenen Betrachter so aus, als habe die Frühjahrssonne
nicht nur den Schnee, sondern auch die Sorgen der Menschen
weggeschmolzen.
    Die
von der Hoffnung zehrende neue Stimmung war jedoch ein schwaches
Pflänzchen. Sie verdeckte nur oberflächlich die
beschwerenden Gedanken, die sich die Menschen über die nahe
Zukunft machten. Heimlich stellten sie sich mancherlei Fragen, die
alle um dasselbe Thema kreisten: Wie würde es mit den Slawen
weitergehen? Waren sie abgezogen oder umgekommen in der brutalen
Kälte? War der Krieg zu Ende? Konnte man wieder unbesorgt seine
Felder bestellen? War es möglich, wieder über Land zu
ziehen, ohne fürchten zu müssen, daß plötzlich
ein Ring grausamer Slawenkrieger harmlose Reisende einkesselte, um
sie auszurauben? Oder mußte man gar erneut damit rechnen, daß
die Eroberer frei liegende Gehöfte umzingelten und sie in Brand
setzten? Würden Tod und Verderben in diesem Jahr wiederum auf
furchtbare Weise das Leben im Lande verdüstern?
    Ähnliches
ging auch Dietrich durch den Kopf. Er dachte immer wieder an jenen
Tag im Spätherbst, als er den Slawenherold inmitten seiner
Krieger mit groben Worten beleidigt hatte. Nach wie vor befürchtete
er, daß das noch Folgen haben werde. Nachdem der Feind mit
einer solchen Masse von Kriegern ins Land eingefallen war und das zur
Verteidigung aufgebotene Ritterheer fast mühelos überrannt
und in die Flucht geschlagen hatte, würde er in den kommenden
Monaten sicher bestrebt sein, jeden noch vorhandenen Widerstand zu
brechen, bevor er sich aufmachte, um gegen König Philipp
anzutreten. Wieder einmal stand Dietrich die Drohung vor Augen, daß
die Slawen zuerst die Ortenburg - als das wichtigste Bollwerk gegen
ihren Eroberungsdrang - überwinden mußten. Denn nur, wenn
sie den Rücken frei hatten, konnten sie unbesorgt ihrem
eigentlichen Ziel entgegenziehen und die Entscheidungsschlacht
herbeiführen.
    Noch
im Laufe des Mai machten tatsächlich wieder beängstigende
Nachrichten die Runde. Man hörte erneut von Überfällen
auf Einheimische, die auf die monatelange trügerische Ruhe
hereingefallen und sorglos unterwegs waren, als sie plötzlich
von einer Slawenhorde umstellt und ausgeraubt, wenn nicht umgebracht
wurden. Es gingen wieder Heimstätten der Bauern in Flammen auf,
und es waren auch wieder Flüchtlinge mit ihren wenigen
Habseligkeiten unterwegs nach dem scheinbar noch sicheren Süden
der Mortenau. Bald hatte es auch im hintersten Winkel des Landes
jeder begriffen: der Krieg war nicht zu Ende!
    *
    Die
Bewohner der Thiersburg hatten den harten Winter im Gegensatz zu
vielen anderen im Lande glimpflich überstanden. Dank der
erstaunlichen Voraussicht ihrer Burgherrin Adelheid waren ausreichend
Nahrungsvorräte für alle geerntet und gesammelt worden.
Zwar war auch hier Schmalhans Küchenmeister, aber wirklich
hungern mußte niemand.
    Wegen
ihrer versteckten Lage war die Burg bislang den Slawen unbekannt
geblieben und thronte ruhig und unberührt von neugierigen
Blicken auf ihrem Hügel in dem stillen Tal. Um die Anlage herum
und das enge Tal entlang sprangen die Knospen der Laubbäume auf,
ihre Blätter begannen sich zu entfalten, und das zarte Grün
leuchtete fröhlich in der Frühlingssonne. Der Löwenzahn
breitete seine goldenen Teppiche über die Wiesen, und die Bienen
waren emsig dabei, den reichen Nektar zu saugen, den sie in ihrem
Honigmagen als kostbare Fracht heimschleppten. Bunte Schmetterlinge
gaukelten über die Blüten, um sich wählerisch hie und
da niederzulassen und ebenfalls von dem süßen Drüsensaft
der Blumen zu naschen. Es war ein Bild tiefen Friedens, und alles
erweckte den Eindruck, als befände man sich in einer
zauberhaften Märchenwelt.
    Adelheid
hatte aus ihrem erfolglosen Besuch im vergangenen Spätherbst auf
der Ortenburg die einzig mögliche

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