Die Klinge: Roman (German Edition)
Aha! Gilligans Insel! Das ist doch nicht die Folge, in der sich sein Mund in ein Radio verwandelt? Doch, klar. Die erkenne ich sofort. Ich habe sie erst ungefähr fünfzigmal gesehen. Eine der besten.«
»Wir wollten die Nachrichten sehen«, sagte Tess und stellte ein zweites Tischchen für sich selbst auf einen Sessel neben dem Sofa.
»Machst du Witze? Das ist ein verdammter Klassiker! Du kannst doch keinen Klassiker ausschalten, um die Nachrichten zu gucken, was ist los mit dir? Da geht’s eh nur um Gewalt und Verderben. Das ist ein unsterblicher Klassiker. Du kannst keinen unsterblichen Klassiker ausschalten!«
»Wir können auch warten, bis du weg bist.«
Steve stand neben Alberts Sessel und sah still fern, bis die Werbung einsetzte. Dann sagte er: »Wo zum Teufel ist Jake heute Abend?«
»Keine Ahnung«, sagte Tess.
»Was soll das heißen, du hast keine Ahnung?«
»Ich weiß nicht, wo er ist. Er ist nicht hier. Ich habe nichts von ihm gehört.«
»Habt ihr euch gestritten oder so?«
»Was geht dich das an?«
»Okay, okay. Reg dich nicht auf. Entschuldigung, dass ich damit angefangen habe. Mein Gott, ihr Mädels seid immer so empfindlich. Man könnte nichts mit euch anfangen, wenn da nicht diese eine Sache wäre. Stimmt’s, Alicia?«
Albert schüttelte grinsend den Kopf.
Es klingelte.
»Entschuldigt mich«, sagte Tess. »Der Herd.« Sie lief aus dem Zimmer.
»Du bist also auf dem Weg nach L. A., ja? Allein?«
Albert nickte.
»Bist du nicht etwas zu jung dafür?«
»Ich bin fast zwanzig.«
»Echt? Du siehst eher wie sechzehn aus.«
»Ich habe mich eben gut gehalten.«
»Oh, es geht weiter.«
»Ich bin abmarschbereit«, verkündete Karen, als sie ins Zimmer kam.
»Pssst. Gilligans Insel. «
»Scheiß auf Gilligans Insel. Ich breche gleich zusammen vor Hunger.«
»Für mich siehst du noch ganz gut aus«, sagte Steve, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden.
»Ganz gut? Pass auf, dass ich dich nicht austausche, du hohle Nuss.«
Albert sah in dem Moment zu Karen, als sie sich umdrehte. Ihr grünes Kleid war wie eine Schürze hinter dem Rücken zusammengebunden. Der Rücken war frei, und der Stoff spannte sich eng um den Hintern.
»Wow!«, sagte Steve, als er endlich hinsah.
»Gefällt’s dir?«
»Wow!«
Sie bückte sich, um etwas aus dem Läufer zu klauben – einen Chipskrümel? –, und der tiefe Ausschnitt entblößte die Seite einer blassen Brust.
»Mein Gott!«, sagte Steve.
Karen wandte den Kopf und grinste ihn an.
Sie schien Albert überhaupt nicht wahrzunehmen und gab ihm reichlich Zeit, sie anzustarren, ehe sie sich wieder aufrichtete.
»Wir gehen jetzt besser«, sagte Steve. »Hat mich gefreut, dich kennenzulernen, Alicia.«
»Ja.« Karen lächelte Albert an. »Gute Reise, Süße.«
»Danke.« Es wäre höflich gewesen, aufzustehen, doch wegen seiner Erektion verzichtete er darauf. »Dein Kleid ist fantastisch.«
»Du solltest dir auch so eins besorgen«, sagte Karen. »Es wirft die Männer um.«
»Da bin ich sicher.«
»Lass uns gehen«, sagte Steve.
Tess kam mit einem Teller Lasagne in jeder Hand aus der Küche. »Geht ihr jetzt?«, fragte sie.
»Wir sind schon fast weg«, sagte Karen. »Wahrscheinlich sehen wir uns erst am Sonntag wieder.«
»Also dann, viel Spaß.«
»Ja«, sagte Albert. »Amüsiert euch gut.«
»Das werden wir«, antwortete Steve. »Mit Sicherheit.« Er legte einen Arm um Karens Rücken und führte sie zur Tür. Ehe er die Tür öffnete, küsste er ihre Schulter, die sich auf seiner Augenhöhe befand.
Als sie gegangen waren, lächelte Albert Tess an und fragte: »Verbringen sie das ganze Wochenende zusammen?«
»Klar. Meistens. Jedenfalls, wenn sie sich nicht streiten. Ich glaube, sie werden sich bald verloben. Wie wär’s mit einem Glas Wein zum Essen?«
»Gern.«
Er sah zu, wie Tess in die Küche ging. Sie trug die gleichen Kleider wie im Kino, Cordhose und Sweatshirt, aber war jetzt barfuß. Albert fragte sich, ob sie unter dem Sweatshirt nackt war.
Falls nicht, kann ich schnell dafür sorgen.
Sie kehrte mit einer Flasche Burgunder und zwei Gläsern zurück. Ein Glas stellte sie auf ihr Tischchen, das andere brachte sie Albert. Sie schenkte ihm ein. Sie roch nach Jean Nate.
»Ich halte den Typen für einen Trottel«, sagte sie, »aber Karen ist verrückt nach ihm.«
»Er kam mir ganz nett vor.«
»Er ist ein Volltrottel, glaub mir. Gilligans Insel! « Sie schal tete auf ein anderes Programm. Werbung. Sie sah auf ihre Uhr.
Weitere Kostenlose Bücher