Die Klinge: Roman (German Edition)
»Gleich kommen Nachrichten. Wann fährt noch mal dein Bus?«
»Um acht.«
»Wenn wir hier um Viertel nach sieben losgehen, schaffen wir es locker.« Sie setzte sich auf den Polstersessel neben dem Sofa. »Also, woher kommst du?«, fragte sie und begann zu essen.
»Aus Chicago«, sagte Albert. Er nahm einen Bissen von der Lasagne. Sie war heiß und gut.
»Chicago? Ich bin aus Milwaukee. Dann waren wir fast Nachbarn.«
»Wie bist du in Wichita gelandet?«
»Ach, so ein Idiot, der bei Boeing arbeitet, hat mich mit hierhergeschleppt. Verdammt, das war der größte Fehler meines Lebens. Kaum waren wir in der Stadt, hat er mich abserviert.«
»Schrecklich.«
»Tja, er war ein Arsch. Wie die meisten Männer.«
»Das habe ich auch schon gemerkt«, sagte Albert.
»Die guten sind dünn gesät. Und meistens schon vergeben.«
»Wieso bist du noch hier?«
»Keine Ahnung. Ich bekomme bald meine staatliche Zulassung.«
»Was für eine Zulassung?«
»Als Lehrerin. Das war der zweite große Fehler. Wenn ich nur geahnt hätte, dass Hinz und Kunz unterrichten will. Die Chancen, eine Stelle zu finden, falls ich jemals die verdammte Zulassung bekomme, sind gleich null.«
»Das ist wirklich …«
Albert verstummte und starrte bestürzt auf den Bildschirm.
»… ein Phantombild des Verdächtigen, der vorläufig als Albert Mason Prince identifiziert wurde. Prince, ein siebzehnjähriger Weißer, verschwand Samstagabend aus dem Haus seines Vaters in North Glen, Illinois. Zusätzlich zu den Kansas-City-Morden wird Prince von den Behörden in Illinois nun auch in Zusammenhang mit den beiden Opfern der Messerattacke, Mrs. Arnold Broxton und …«
»Ist das nicht merkwürdig?«, sagte Tess. »Er sieht dir so ähnlich, dass er dein Bru…«
Sein Tischchen fiel nach vorn um, als er aufsprang. Er packte die Weinflasche am Hals, schlug sie Tess gegen den Hinterkopf und streckte rechtzeitig den Arm aus, um zu verhindern, dass ihr Gesicht auf den Teller knallte.
»… wird als extrem gefährlich betrachtet. Falls Sie den Verdächtigen erkennen, informieren Sie bitte sofort Ihre zuständige Polizeidienststelle.«
22 DER GRAUE GEIST
Als es an der Tür klingelte, zuckte Janets Hand. Der Lippenstift zog ihr einen verwegenen einseitigen Schnurrbart.
»Soll ich aufmachen?«, rief Meg.
»Ja, bitte.« Sie wischte sich den Schnurrbart ab, schminkte ihre Lippen zu Ende und betrachtete sich im Badezimmerspiegel. Die Polyesterbluse mit den roten und blauen Kreisen wirkte fröhlich, doch sie schmiegte sich so eng an die Haut, dass sie mehr preisgab, als Janet recht war. Vor allem ihren BH .
Tja, immer noch besser als hervorstehende Nippel. Dave hatte die Finger nicht davon lassen können, wenn sie diese Bluse getragen hatte.
Der Gedanke an Dave machte sie traurig und wütend.
Er ist weg, sagte sie sich. Er könnte genauso gut tot sein, dieser Dreckskerl.
Nur dass ein Teil von ihm immer bei ihr war.
Vergiss es. Tu so, als wäre er tot. Es ist besser für das Kind, überhaupt keinen Vater zu haben als einen Widerling wie Dave.
Sie schlüpfte in eine hellblaue Jacke, die zu ihrer Hose passte, bürstete ihr Haar und verließ das Bad.
»Hallihallo!«
»Hi, Moses.«
» Mosby. Was mir an Schnelligkeit und Grips fehlt, mache ich durch zahlenmäßige Überlegenheit wett.«
»Weißt du, wovon er redet?«, fragte Meg.
»Wer, ich?« Janet sah in Mosbys hageres, grinsendes Gesicht. »Weißt du , wovon du sprichst?«
»Von dem grauen Geist. John Singleton Mosby. General John Singleton Mosby, ein Soldat aus den Südstaaten, der mit seinen Guerillas den Yankees schwere Verluste zugefügt hat. Meine Freunde haben angefangen, mich Mosby zu nennen, weil …«
»… du dich gern zum Affen machst?«, schlug Meg vor.
»Ha! Clever! Guerilla, Affe, sehr clever. Du bist mir echt eine, Meg.«
»Meine Freunde nennen mich Meg, weil ich so laut spreche.«
»Wieso?« Einen Moment lang wirkte Mosby verwirrt, dann hellte sich seine Miene auf. »Ah, klar. Megafon!« Er wackelte mit dem Ellbogen in Janets Richtung. »Hoffentlich bist du auch so geistreich wie deine Freundin.«
»Abwarten«, sagte Janet und nahm ihre Handtasche.
»Wir gehen dann wohl, Meg. Hat mich gefreut. Bleib nicht auf.«
Als sie draußen in der kalten, nebligen Nacht standen, legte Mosby eine Hand auf Janets Schulter und sagte: »Ich steh auf Enchiladas, und du?«
»Nichts dagegen.«
Er öffnete ihr die Autotür. Sie stieg ein und beugte sich über den Vordersitz, um seine Tür
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