Die Klinge: Roman (German Edition)
Albert erkannte den auf der linken Seite: Es war ein Schauspieler aus Mannix . Er versuchte, sich an den Namen zu erinnern, während er zusah, wie ihre Lippen sich bewegten. Er konnte nicht hören, was die Schauspieler sagten, doch er hörte jemanden rufen: »Schnitt, Schnitt.« Einer der Schauspieler an der Tür schüttelte den Kopf. Der andere begann zu lachen. Der Mann mit der Skimütze nahm die Pistole in die linke Hand und ließ sie am Lauf herabhängen.
»Wissen Sie, was hier gedreht wird?«, fragte ein Mann Albert.
»Keine Ahnung.«
Eine junge Frau drehte sich um. » Manche nennen es Schlaf , nach dem Buch von Evan Collier.«
Albert starrte die Frau an. Sie war wunderschön und schlank und kaum älter als er. Vielleicht zwanzig? Sie trug eine karierte Jacke im Holzfällerstil. Der Wind blies ihr eine Haarsträhne ins Gesicht und wirbelte Dampf von ihrem Kaffeebecher auf. Sie spitzte die Lippen, schlürfte an dem Kaffee und wandte sich ab.
»Bist du ein Fan von Evan Collier?«, fragte Albert.
Sie lächelte ihn über die Schulter an. »Ich? Ich finde ihn großartig. Ich habe seine Bücher fast alle gelesen.«
»Ich auch«, sagte Albert. Er hatte noch nie von Evan Collier gehört und schon gar kein Buch von ihm gelesen.
» Manche nennen es Schlaf ist wahrscheinlich sein bestes, und es ist auch ein gutes Drehbuch. Ziemlich werkgetreu. Aber Collier hat es nicht selbst geschrieben. Es ist von Max Radow.«
»Du hast das Drehbuch gelesen?«, fragte Albert.
Sie nickte lächelnd. Ihr rotes Haar flatterte im Wind. »Ich habe eine Rolle in dem Film.«
»Wirklich?«
»Ach, keine Hauptrolle. Nichts in der Art. Aber immerhin eine Sprechrolle. Ich spiele in zwei Szenen mit.«
»Das ist ja fantastisch!«
»Tja, es ist ein Anfang. Nichts Spektakuläres, aber …«
»Kannst du mir ein Autogramm geben?«
Sie lachte. »Das ist nicht dein Ernst, oder?«
»Doch, natürlich. Ich bin ein großer Filmfan.« Albert suchte in seinen Manteltaschen herum. In der linken Tasche ertastete er ein Stück Papier. Er zog es heraus und hielt es ans Licht. Eine Kreditkartenquittung.
»Das ist okay«, sagte sie.
»Ich glaube, ich habe keinen Stift.«
»Hier, ich habe einen.« Sie zog einen Stift aus ihrer Handtasche. Dann sah sie sich die Quittung von beiden Seiten an. »Du bist nicht Willard, oder?«
»Doch, klar«, sagte er.
Irgendwas stimmt nicht, dachte er, und sein Magen zog sich zusammen.
»Ich hab noch nie gehört, dass ein Junge in deinem Alter eine Mastercard hat.«
»Ach so. Ich bin Willard Junior. Das Konto gehört meinem Vater.«
»Ahhh.« Sie nickte. Ihre Handtasche als Unterlage nutzend, kritzelte sie etwas auf die Quittung. »Bitte schön, Willard.«
Albert hielt das Papier ans Licht und las laut: »Für Willard – mein erstes Autogramm als Filmschauspielerin. Alles Gute, May Beth Bonner.«
»Das ist nett«, sagte er. »Danke.«
»Du solltest es an einem sicheren Ort aufbewahren«, erklärte sie und lächelte dabei so seltsam, dass er sich nicht sicher war, ob sie es ernst meinte. »Wenn ich erst berühmt bin, wird es eine Menge wert sein.«
»Ich würde es niemals verkaufen.«
»Du bist süß, weißt du das?«
»Ruhe am Set.«
May Beth wandte Albert den Rücken zu. Er trat vor und stellte sich neben sie, um zu sehen, was passierte.
Nachdem die Aufnahme wegen des Heulens eines Mar tinshorns abgebrochen werden musste, fragte Albert: »Wie lange geht das hier noch?«
»Bis sie es richtig im Kasten haben«, sagte May Beth. »Das ist die letzte Szene heute Abend, aber sie muss perfekt sein, bevor sie sich zufriedengeben.«
Die letzte Szene.
Alberts Pulsschlag beschleunigte sich, und er spürte, wie die Aufregung ihm auf den Magen schlug.
»Ruhe am Set.«
Albert wischte sich die verschwitzten Handflächen an der Hose ab.
Die letzte Szene!
Er musste sich schnell etwas ausdenken. Er konnte diese süße Frau nicht entwischen lassen, er konnte es einfach nicht. Sie war viel schöner als all die anderen.
»Tja, das war’s«, sagte sie und wandte sich zu ihm.
Schon vorbei. So schnell.
»Sollen wir irgendwo hingehen?«, platzte Albert heraus.
»Was?«
»Wir könnten irgendwo hingehen. Zusammen. Ich lade dich zum Essen ein. Hast du Hunger?«
»Nicht besonders.«
»Wie wär’s mit einem Drink?«
»Einem richtigen Drink? Das könnte ich mir vorstellen, aber … du gehst auf keinen Fall für einundzwanzig durch.«
»Wir haben alles Mögliche zu Hause«, erklärte er. »Meine Eltern sind weggefahren,
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