Die Klinge
zurückgeblättert.
»Der Jutesack«, erklärte Paula. »Bisher wurde weder Hank Foleys noch Adam Holgates Kopf gefunden. Ich glaube, wir können davon ausgehen, dass unser Täter ebenfalls einen Sack hinter seinen improvisierten Richtblock gelegt hat, auf den der Kopf dann gefallen ist. Der Täter hat den Kopf darin eingewickelt und schließlich in ein Behältnis getan.«
»Jetzt hätte ich doch gern noch einen Scotch«, rief Newman und winkte der Stewardess.
Paula schloss das Buch, bis der Drink serviert und die Stewardess wieder gegangen war.
»In welcher Art Behältnis könnte man denn den Kopf eines Menschen aufbewahren?«, fragte Newman.
»Ich glaube, dass Paula mit ihrer Vermutung Recht hat«, sagte Tweed. »Auf die Idee hätten wir allerdings auch
schon früher kommen können. Einmal - nach einer Autopsie - habe ich einen in Formalin eingelegten Menschenkopf gesehen, und zwar in einer Art großem Einweckglas mit einem Deckel obendrauf. Wenn das auch bei diesen Morden der Fall ist, muss unsere nächste Frage lauten: Worin kann man ein solches Glasgefäß am besten transportieren?«
»Vielleicht in einem dieser Koffer mit Rädern unten dran, wie sie heutzutage von vielen Reisenden benutzt werden«, schlug Paula vor.
»Aber der Kopf muss doch fürchterlich geblutet haben«, wandte Newman ein.
»Kein Problem«, sagte Paula. »Der Täter braucht den Kopf nur an den Haaren in die Höhe zu heben und ihn ausbluten zu lassen.«
»Warum haben wir nicht früher daran gedacht!«, sagte Tweed verärgert. »Wir hätten in Pinedale viel intensiver suchen sollen. Es muss dort eine Stelle geben, wo der Boden mit Blut regelrecht getränkt ist. Und in Bray auch.«
»Haben Sie vielleicht noch mehr solcher Leckerbissen parat, Paula?«, wollte Newman wissen.
»Aber gern. Bei der Guillotine wurde im Prinzip dieselbe Methode angewendet«, sagte Paula und schlug eine andere markierte Seite auf. »Wie Sie sehen, liegt auch hier hinter dem Richtblock ein Sack.«
»Schauen Sie sich doch mal diesen Halsstumpf an«, sagte Newman. »Und jetzt blättern Sie noch mal zu dem anderen Beispiel zurück.«
Paula fand auf Anhieb die richtige Seite. Newman starrte angewidert auf die grausige Zeichnung.
»Sehen Sie? Die Wunde am Hals ist ganz ausgefranst. Bei Foley und Holgate waren die Hälse aber fein säuberlich mit einem glatten Schnitt gleich unterhalb des Kinns abgetrennt.«
»Möglicherweise hat der Täter an irgendeinem Gegenstand geübt«, sagte Tweed. »Vielleicht an einer Puppe.«
»Ich wäre mir da nicht so sicher, ob das nur eine Puppe war«, wandte Paula ein.
»Was dann?«, sagte Tweed.
»Ich weiß es nicht. Aber ich werde darüber nachdenken. Außerdem befinden wir uns bereits im Sinkflug.«
Paula klappte das Buch zu und steckte es wieder zurück in ihre Aktentasche. Dann schaute sie noch eine Weile zum Fenster hinaus, um die schaurigen Bilder, die sie eben gesehen hatte, aus ihrem Kopf zu verbannen.
Die Nacht war wolkenlos. Während das Flugzeug sich im Landeanflug Genf näherte, bot sich Paula ein wunderbarer Blick auf das Juragebirge, das sich schwarz vor dem blassen Spiegel des Genfer Sees abhob. Auf den Gipfeln schimmerte weiß der Schnee. Je weiter die Maschine sich der Erde näherte, desto deutlicher trat der See, einem großen, flachen Teller gleich, im Mondlicht zum Vorschein. Dann setzten sie mit einem weichen, satten Plopp der Räder auf der Teerdecke der Landebahn auf.
Als Tweed, Paula und die anderen in die Ankunftshalle des Genfer Flughafens Cointrin traten, stellten sie mit Freude fest, dass Arthur Beck, der Chef der Schweizer Bundespolizei, zusammen mit einigen uniformierten Polizisten bereits auf sie wartete. Beck kam auf sie zu, umarmte Paula, schüttelte Tweed und Newman die Hand und führte sie dann zusammen mit den anderen nach draußen zu zwei wartenden Limousinen.
Beck war groß, schlank, um die vierzig und hatte ein längliches Gesicht. In seinem Haar und in seinem Schnurrbart waren bereits die ersten grauen Strähnen zu sehen. Seine hohe Stirn, die Hakennase, der kräftige Mund und das Entschlossenheit signalisierende Kinn rundeten den durchaus sympathischen Eindruck ab. In Tweeds Augen war sein Freund der tüchtigste und tatkräftigste Polizeibeamte auf dem ganzen Kontinent.
Beck ließ es sich nicht nehmen, Paulas Aktentasche zu tragen, die sie ihm erst nach einigem Zögern überlassen hatte. Draußen war es bitterkalt, aber Tweed machte das nichts aus. Er war ein Mensch, der bei
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