Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
Sattelgurt. Das Tier schnaubte und trampelte widerwillig auf den Boden. Thalia streichelte es reumütig.
»Wir sollten aufbrechen«, sagte sie schließlich. »Es ist Morgen, und wir haben mindestens noch drei Reisetage vor uns.«
Batu stimmte zu, sie stiegen auf ihre Pferde und ritten Richtung Westen. Sie hatten ihr Lager in einer weiten Senke aufgeschlagen, und um ihren Weg fortzusetzen, mussten sie zunächst eine kleine Hügelkette hinaufreiten. Thalia fühlte sich seltsam ausgelaugt und führte ihren Zustand auf ihren schlechten Schlaf zurück. Tief in ihrem Inneren wusste sie jedoch, dass die Ursache in dem unbefriedigenden Abschied von Hauptmann Huntley lag. Er mochte schroff und herrisch sein, doch ihr gegenüber hatte er sich überraschend feinfühlig gezeigt. Zusammen mit der Tatsache, dass sie sich von seiner Nähe stark angezogen fühlte, hätte ihr das ziemliche Schwierigkeiten bereiten können. Womöglich wäre er ihr gefährlicher als Sergej geworden. Ein Brief konnte allerdings nicht schaden. Wenn sie nur wüsste, wohin er wollte, dann hätte sie ihm schreiben und ihm für seine Hilfe danken können. Doch außer seinem Namen und seinem Rang wusste sie nichts von ihm.
Thalia schüttelte den Kopf und ordnete ihre Gedanken. Sie musste sich auf die bevorstehende Aufgabe konzentrieren. Die Erben waren ihr dicht auf den Fersen, sie musste die Klingen schützen und ihre Arbeit tun. Wie lange hatte sie auf diese Gelegenheit gewartet? Sie würde nicht zulassen, dass ihr etwas in die Quere kam, auch nicht sie selbst.
Doch als sie und Batu über die Hügelkette ritten, lösten sich ihre sorgfältig gefassten Beschlüsse mit einem Schlag in Wohlgefallen auf.
Dort wartete Hauptmann Huntley.
Er saß auf seinem Pferd, das, nach dem Glanz des Fells zu urteilen, schon eine ordentliche Strecke hinter sich gebracht hatte. Er wischte sich mit einem Taschentuch den Staub aus dem Gesicht und wirkte überhaupt nicht überrascht, sie zu sehen. Thalia hingegen empfand eine verwirrende Mischung aus Glück, Erleichterung und Wut.
»Gut, dass Sie auf sind«, sagte er, als sie und Batu auf ihn zutrabten. »Ich habe die Gegend erkundet. Sie scheint sauber zu sein, wir können weiterreiten.«
Thalia nahm sich vor, genauso selbstsicher aufzutreten wie der Hauptmann, doch der Vorsatz erreichte nicht ihr Herz, das in ihrer Brust Luftsprünge veranstaltete.
»Ungefähr drei Meilen von hier befindet sich eine enge Schlucht«, erklärte sie angespannt. »Die würde sich als Hinterhalt anbieten.«
»Habe ich bereits gesichert«, erwiderte er.
»Und eine Meile dahinter stehen Lärchen, hinter denen sich eine Gruppe Reiter verstecken könnte.«
»Auch darum habe ich mich gekümmert. Ihre Freunde scheinen nicht in der Nähe zu sein. Ich habe ein paar Spuren entdeckt, aber die führten nach Norden, nicht nach Westen.«
Thalia holte Luft und ließ den Blick über den Horizont gleiten. Schließlich sah sie ihm direkt in die Augen und stellte fest, dass das Morgenlicht sie in blanke Münzen verwandelte. Er musste weniger geschlafen haben als sie, zeigte aber keine Spuren von Müdigkeit. Ganz im Gegenteil: Das goldene Sonnenlicht wirkte auf seinen Wangen, dem kantigen Kinn und seinen sinnlichen Lippen ziemlich verführerisch. Das schien ihr nicht gerecht, nachdem sie selbst vermutlich ziemlich mitgenommen aussah.
»Sie sind sehr sorgfältig«, stellte sie nach einem Augenblick fest.
»Das bin ich immer.« In seinen Augen erschien ein beinahe anzügliches Funkeln, das ihren Körper wärmte. »In allem.«
»Ach was«, lautete ihre geistreiche Antwort. Thalia errötete, was ihr nicht passiert war seit … seit Sergej. Und wie das geendet hatte, wusste sie.
Sie unterdrückte den Impuls, sich das Gesicht zu reiben, um ihr Interesse an ihm zu überspielen. Das würde erst recht seine Aufmerksamkeit erregen, und das wollte sie nicht. Aus mehreren Gründen. Unter anderem deshalb, weil sie nur allzu leicht erfreut auf sein Interesse reagierte. Sie musste vorsichtig sein, wachsam, durfte nicht mehr erröten. Zwischen ihrem Vorsatz und der tatsächlichen Umsetzung schien allerdings ein weiter Weg zu liegen. Sie musste die Dinge in die Hand nehmen, und zwar sofort.
Also: nicht flirten. »Wir können hier nicht den ganzen Tag herumstehen«, sagte sie stattdessen und trieb ihr Pferd an. Das Tier galoppierte los. Hinter sich vernahm sie, wie Hauptmann Huntley und Batu ihre Pferde in Bewegung setzten. Als sie die Geräusche der Hufe hörte und
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