Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
ausgehalten. Wir haben die Waffen gefunden und den Aufstand beendet, bevor er überhaupt begonnen hat.«
»Sie meinen«, sagte Thalia langsam, »wir sollten lieber warten, bevor wir uns auf etwas Tollkühnes einlassen.«
Gabriel schnippte die Asche von seiner Zigarre, bevor er antwortete. »Ich schlage es nicht vor .«
»Ich darf Sie darauf hinweisen«, entgegnete Thalia, »dass Sie weder im Auftrag der Armee in der Mongolei sind noch die Befehlsgewalt über unsere Gruppe besitzen.«
Er zuckte mit den Schultern. »Das dürfen Sie. Aber Sie scheinen mir ein kluges Mädchen zu sein, das eine wichtige Mission nicht durch ihre Sturheit und ihren Stolz gefährdet.«
Thalia murmelte etwas auf Mongolisch, woraufhin Batu schluckte. Es war eine nicht sehr schmeichelhafte Bemerkung über große, blonde, selbstherrliche Hauptmänner a. D., von denen Thalia nur einen kannte. »Gut«, sagte sie auf Englisch. »Wenn bis zum Morgen nichts passiert ist, brechen wir auf und suchen diese Frau.«
»Kluge Entscheidung«, antwortete Gabriel und nickte. »Und achten Sie auf Ihre Ausdrucksweise.« Als Thalia ihn mit fragendem Blick ansah, erwiderte er: »Ich muss nicht die Sprache sprechen, um zu verstehen, dass mich jemand als gemeinen Mistkerl bezeichnet.«
Leider musste Thalia darüber lächeln, und als sie die Pferde anbanden und sich neben der steinernen Schildkröte niederließen, war ihre Wut verflogen. Für ein paar Stunden saßen die drei mit dem Rücken an die Schildkröte gelehnt nebeneinander und vertrieben sich die Zeit, indem sie sich leise unterhielten. Gabriel rauchte die Hälfte seiner Zigarre, drückte sie aus und bewahrte den Stumpen für später auf. Als Stunde um Stunde verging und die Lichter in den umgebenden Gers erloschen, glaubte Thalia mehr und mehr, sie hätten nicht nach Karakorum kommen sollen. Vielleicht bezog sich der Hinweis auf etwas anderes, nicht auf die Steinschildkröte? Aber auf was? Vielleicht hatten die Erben von dem Hinweis erfahren, ihn entschlüsselt und besaßen die Quelle bereits. Hatte sie bei ihrem Einsatz für die Klingen der Rose schon jetzt versagt?
»Ruhig Blut«, raunte Gabriel in ihr Ohr und stupste sie mit seiner Schulter an. »Wenn Sie so zornig sind, können die Pferde nicht schlafen.«
Thalia schwieg. Sie konnte lediglich warten und zusehen, wie der Mond aufging. Erst als sie den Stoff von Gabriels Mantel an ihrer Wange spürte, bemerkte sie, dass sie eingeschlafen war. Sie hatte sich nicht nur an ihn gelehnt, sondern hielt auch noch seinen Arm zwischen ihren Brüsten fest. Seinen sehr starken, sehr kräftigen Arm. Schlagartig erwachte sie und zog sich zurück, um etwas Abstand zwischen sie zu bringen.
Als sie ins Gras purzelte, sah sie im Mondlicht Gabriels schiefes Grinsen. Sie fragte sich, ob er eine beißende Bemerkung darüber machen würde, dass sie sich ihm an den Hals geworfen hatte. Diese Schmach blieb ihr jedoch erspart, denn auf einmal verhärtete sich seine Miene, und er fixierte einen Punkt in der Dunkelheit.
»Was ist los?«, fragte sie, doch er führte einen Finger an seine Lippen und wandte den Blick nicht von dem fixierten Punkt ab.
Thalia richtete sich auf und versuchte zu erkennen, was er sah. Zuerst dachte sie, er mache sich über sie lustig oder hätte einfach nur einen Wolf auf Beutezug entdeckt. Aber als sie gerade dachte, er habe sich einfach geirrt, nahm Thalia am Rand des Feldes eine Bewegung wahr. Eindeutig kein Tier. Thalia hörte das leise Klicken von Metall auf Metall. Erst als sie ihn in seiner Hand sah, begriff sie, dass Gabriel seine Pistole gezogen hatte.
»Es ist nur eine Person«, murmelte Gabriel. »Sind diese Mistkerle wirklich so überheblich?«
»Können Sie sagen, wer es ist?«
Er schüttelte den Kopf und spähte weiterhin in die Dunkelheit. »Nehmen Sie Ihr Gewehr«, raunte er Thalia zu, während er sich in die Hocke aufrichtete. Mit dem Fuß stupste er Batu an. »Du auch. Nimm meinen Snider-Karabiner und nicht das alte Ding. Und bleibt beide bei der Schildkröte«, fügte Gabriel hinzu und sah Thalia scharf an. Als sie nickte, entfernte er sich lautlos.
»Wohin gehen Sie?«, zischte Thalia.
»Ich überrasche unseren Freund.«
7
DIE SCHILDKRÖTE SPRICHT
Die Entscheidung fiel ihm verdammt schwer: Sollte er bei Thalia bleiben und mit ihr gemeinsam abwarten, was der Erbe vorhatte? Oder sollte er sich darauf verlassen, dass sie auf sich selbst aufpassen konnte, und sich in die Dunkelheit hinauswagen, um den Erben
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