Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
unvorbereitet zu überwältigen? Gabriel hatte schon häufig schwere Entscheidungen getroffen, doch er hatte noch nie eine Frau beschützt. Er hasste es, auf den Feind zu warten. Das schränkte den Handlungsspielraum zu sehr ein. Viel lieber ergriff er die Initiative und verschaffte sich auf diese Weise einen Vorteil. Wäre Thalia ein Mann, hätte er sich ohne zu zögern dem Erben gewidmet. Aber sie war nicht nur eine Frau, sie war SIE . Er erinnerte sich deutlich an ihren Geschmack und die himmlische Berührung ihrer vollkommenen Brust.
Fing er den Erben ab, konnte Gabriel Thalia jedoch viel besser beschützen, als wenn er wartete, bis der Kerl zu ihnen kam. Also hatte er seine Angst überwunden und pirschte sich nun an sein Opfer heran. Zumindest war Thalia eine gute Schützin, und Batu hatte Huntleys Gewehr anstelle dieses veralteten Vorderladers. Schließlich konnten sie nicht davon ausgehen, dass es sich bei dem Feind um einen betrunkenen Riesen handelte.
Als er am Feldrand entlangschlich, stand der Mond als silberne Sichel am dunklen Nachthimmel und spendete ihm gerade so viel Licht, dass er erkennen konnte, wohin er trat. Er wollte in den Rücken des Erben gelangen und, wenn der Feind sich ganz und gar auf Thalia und Batu konzentrierte, sich von hinten an ihn heranschleichen. Bei Ares’ Eiern, es missfiel ihm, Thalia als Köder zu benutzen, doch wenn alles nach Plan lief, geriet sie nicht in Gefahr.
Gabriel schlich durch das hohe Gras und ließ den Erben dabei nicht aus den Augen. Er schien nicht bei dem Angriff vor den Toren Urgas dabei gewesen zu sein, doch in der Dunkelheit konnte er das nicht mit Sicherheit sagen. Zum Teufel, wer auch immer er war, der Kerl gab sich keine große Mühe, leise zu sein. An seiner Kleidung hingen metallene Plättchen, die bei jedem Schritt klingelten. Außerdem murmelte er vor sich hin. Gabriel verstand jedoch nicht, was er sagte.
Er konzentrierte sich ganz darauf, das Opfer aus dem Hinterhalt zu überfallen. Wie geplant schlich sich Gabriel von hinten an den Erben heran. Als sich der Abstand zwischen ihnen verringerte, duckte er sich in das hohe Gras und spähte gelegentlich darüber hinweg. Der Erbe blieb kein einziges Mal stehen und lief stetig auf Thalia zu. Offenbar bemerkte er Gabriel nicht. Sie befanden sich etwa hundert Schritte von der Schildkröte entfernt. Aus der Nähe bemerkte Gabriel, dass der Mann kleiner als die beiden englischen Kerle war und nur etwa halb so groß wie der riesige Mongole, den sie angeheuert hatten. Jemand anders, ein weiterer bezahlter Schläger. Doch trotz seiner geringeren Größe nicht weniger gefährlich.
Gabriel kam sich vor wie eine riesige Katze, die sich an ihr Abendessen heranpirschte. Der Erbe und er befanden sich jetzt nur noch fünfzig Fuß von Thalia entfernt. Gabriel musste handeln, bevor der Erbe ihr zu nah kam. Er würde ihn überwältigen und ein paar Informationen aus dem Mistkerl herausquetschen. Nachdem er noch einmal tief Luft geholt hatte, stürzte er sich auf den Erben.
Und landete auf dem Boden, denn er hatte sich auf nichts als auf Luft gestürzt.
Gabriel sprang augenblicklich auf. Das war unmöglich. Der Kerl hatte gerade noch direkt vor ihm gestanden. Und jetzt war er … weg.
Nein, er war nicht weg. Gabriel fing an zu rennen, denn der Erbe stand nun direkt vor Thalia. Noch nie in seinem Leben war Gabriel so schnell gerannt, noch nicht einmal als ihn in Indien mit Kukhris bewaffnete Banditen gejagt hatten. Gabriel war es nicht gewohnt, zu laufen und gleichzeitig mit einer Pistole zu schießen – mit seinem Gewehr kam er besser zurecht – , doch ihm blieb keine andere Wahl. Verdammt, Thalia hatte noch nicht einmal ihre Waffe gezückt. Es sah ganz so aus, als unterhielte sie sich mit dem Erben. Gabriel fluchte. Er musste ihr unbedingt beibringen, dass sie, verdammt noch mal, bei der erstbesten Gelegenheit zu schießen hatte, anstatt mit dem Feind erst ein Schwätzchen zu halten.
Doch jetzt konnte er unmöglich schießen. Die Gefahr schien zu groß, dass er Thalia oder Batu traf. Er hörte nicht, dass Thalia schrie: »Warte, Gabriel!«, sondern warf sich auf den Erben und riss ihn zu Boden.
Thalia und Batu zogen Gabriel an den Schultern weg. Die drei fielen rücklings in einem Haufen übereinander. Der Erbe lag flach auf dem Rücken und versuchte sich aufzurichten.
»Was zum Teufel soll das?«, knurrte Gabriel, während er sich bemühte, Batu von sich herunterzuschieben.
»Ein Missverständnis, Huntley
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