Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
eine Person hinüberglitten. Und damit, dass diese Person sich direkt vor seinen Augen in nichts aufgelöst hatte. Aber sie hatten noch Airag, und die vergorene Stutenmilch musste die Wirkung des Whiskys auf seine Nerven irgendwie ersetzen.
Sie waren zum Kloster zurückgekehrt und hatten ein Zimmer für die Nacht erhalten. Thalia war hinausgegangen, um sich etwas frisch zu machen. Batu beschäftigte sich im Lichtschein einer Laterne mit dem Gepäck. Und Gabriel lief neben seiner Schlafmatte auf und ab und trank unablässig aus seiner Feldflasche, ohne dass es ihn befriedigte. Es konnte ihm nicht darüber hinweghelfen, dass sich vor seinen Augen eine Frau in Luft aufgelöst hatte. Der gute Batu hatte den Airag besorgt, und Gabriel trank die Milch in großen Schlucken. Aber das bisschen reichte nicht. Er fragte sich, ob er sich jemals an diese neue Welt gewöhnen würde, in der es magische Worte gab und feste Körper einfach so verpufften.
Die Zimmertür ging auf, und Thalia kam leise herein. Sie trug keine Laterne oder Kerze bei sich. Nachdem sie einen prüfenden Blick in den Flur geworfen hatte, schloss sie die Tür hinter sich. Sofort trat Gabriel zu ihr zu und schloss sie in seine Arme. Nicht nur, weil er vorhin zu Tode erschrocken war, weil er meinte, sie würde von einem Erben angegriffen. Auch weil er ihren echten, lebendigen Körper fühlen und riechen musste.
Sie legte die Hände auf seine Schultern, lehnte sich an ihn, holte tief Luft, drückte ihr Gesicht an seinen Hals und sog seinen Geruch ein, genau wie er ihren. Oh Gott, sie fühlte sich so verdammt gut an. Zu gut. Sein Körper reagierte sofort und unmittelbar auf sie, und obwohl er wusste, dass er Thalia nicht haben konnte, fühlte sich sein Verlangen nach ihr irgendwie gut an.
Allerdings nicht gut genug. Sie würde es bestimmt nicht schätzen, wenn sie sein steifes Glied an ihrem Bauch spürte. Gabriel rückte etwas grob von ihr ab und drehte sich um. Er gab vor, sich für eine geschnitzte Kiste zu interessieren, und murmelte, er sei froh, sie in Sicherheit zu wissen. Er hörte zu, wie Batu und Thalia sich leise auf Mongolisch unterhielten. An ihrem Tonfall erkannte er, dass sie darüber sprachen, wie er die abendlichen Ereignisse verkraftete. Es hatte keine Schießerei gegeben, dennoch sorgte sie sich um ihn. Die Vorstellung erschein ihm schrecklich, albern … und rührend. Verdammt.
Er griff seine Tasse mit Airag und trank einen weiteren Schluck. Zufrieden, dass seine Erregung sich gelegt hatte, lehnte er sich mit ausgestreckten Beinen an die Wand.
Die Unterhaltung zwischen Batu und Thalia klang auf einmal schroff und angespannt. Als würden sie leise streiten. Gabriel wusste nicht, worum es ging, doch da beide immer wieder kurz zu ihm herübersahen, vermutete er, dass er das Thema war.
Thalia sagte etwas zu Batu, was vermutlich – dem Klang nach – bedeutete, dass sie kein Wort mehr hören wollte. Batu versuchte, etwas zu erwidern, aber sie weigerte sich, ihm zuzuhören. Stattdessen ignorierte sie den Diener und ließ sich mit einer Eleganz und Anmut neben Gabriel im Schneidersitz nieder, dass ihm der Atem stockte. Ohne etwas zu sagen, griff sie nach seiner Tasse mit Airag , trank einen Schluck und gab sie ihm zurück. Gabriel hielt die Tasse fest in der Hand. Es stand ziemlich schlimm um ihn. Nur weil er zugesehen hatte, wie sie aus seiner Tasse trank, schoss ihm schon wieder das Blut in die Lenden. Seit er ein pickeliger Knabe gewesen war, hatte ihn nichts mehr derart erregt.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte sie leise.
»Nicht schlecht, dafür dass sich eine Person buchstäblich in meinen Händen in Luft aufgelöst hat«, erwiderte er. Er wollte nicht, dass ihre Sorge ihn berührte, doch sie tat es. Verdammt. »Und Ihnen?«
Sie schenkte ihm ein etwas unsicheres Lächeln, das ihn mitten ins Herz traf. Dass sie sich ängstigte, jedoch bereit war, sich ihrer Angst zu stellen, berührte ihn mehr als bloße Tapferkeit. »Seltsame Nacht.«
»Sie sind ein alter Hase, was solche Sachen angeht«, sagte er.
»Nur in der Theorie«, erwiderte sie trocken. »Magie zu sehen, sie zu erleben , ist etwas … vollkommen anderes, als Märchen zu hören. Ich wollte es schon lange mit eigenen Augen sehen.«
»Hat es Ihre Erwartungen erfüllt?«
Jetzt lächelte sie stärker, was eine entsprechende Wirkung auf ihn hatte. »Mehr als das.«
Gabriel verdankte es dem ungünstigen Stern, unter dem er geboren war, dass sich der hellwache Batu noch immer im
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