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Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Titel: Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Archer
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unterschiedliche Weise. Die eine sprach ihren Geist an, die andere ihre Seele.
    »Gefällt es Ihnen?«, fragte sie Gabriel leise.
    Er runzelte die Stirn und dachte nach. »Das kann ich noch nicht sagen. Aber es ist mir auf jeden Fall lieber als der verdammte Dudelsack.«
    »Das ist ein schwaches Lob.« Aber auch kein vernichtendes Urteil.
    Nachdem zwei Brüder ein Hoch auf Pferde gesungen hatten, rief Oyuun, die in der Nähe der Musiker stand, nach Thalia. »Schwester, bitte beehre uns mit einem Lied«, jubelte sie mit einem schelmischen Funkeln in den Augen. Alle im Zelt drehten sich zu Thalia um, die meinte, vor Scham im Boden zu versinken.
    Thalia spürte, wie sich Gabriels Muskeln anspannten, dann stellte er sich schnell schützend vor sie. »Schon gut«, sagte sie und legte beruhigend eine Hand auf seinen Arm. »Sie will nur, dass ich singe.«
    »Und wollen Sie?« Anscheinend wollte er sie vor allem beschützen, was sie auch nur ein bisschen unglücklich machen konnte.
    »Lieber würde ich einem Dudelsack lauschen. Aber es wäre unglaublich unhöflich abzulehnen.« Sie trat um ihn herum, aber nicht, ohne ihm ein aufmunterndes Lächeln zu schenken.
    Dann drängte sie sich durch die Menge, bis sie vor den Musikern stand. Sie achtete sorgsam darauf, nicht den Blick zu heben und in die zahlreichen Gesichter zu sehen, die ihr entgegenstarrten – auch das von Gabriel. In der Mongolei sang jeder. Die Hirten hoch zu Pferde sangen, während sie ihre Herden zusammentrieben, und sorgten so für etwas Unterhaltung in den einsamen Steppen. Babys und Kinder wurden mit Liedern in den Schlaf gesungen. Und Kamele und Pferde brachte man mit einem Ständchen dazu, ihren Nachwuchs zu ernähren. Die Leute sangen mit ihren Familien und Freunden und für ihre Tiere. Es war eine Möglichkeit, die unendliche Weite des Himmels mit Leben zu füllen. Selbst Thalia sang und hielt es für das Natürlichste von der Welt. Allerdings immer in kleinen Gruppen oder für sich allein. Die vielen Zuschauer lösten ein unbekanntes Schamgefühl in ihr aus, das ihr unangenehm war.
    »Womit kann ich euch erfreuen?«, fragte sie Oyuun und starrte dabei auf ihre Stiefelspitzen.
    »Etwas für errötende junge Mädchen und mutige junge Männer«, erwiderte Oyuun, und Thalia hörte das Lachen in ihrer Stimme. »Ein Liebeslied.«
    Unwillentlich schoss Thalias Blick nach oben und begegnete auf der anderen Seite des Zeltes dem von Gabriel. Dann wandte sie sich wieder der sorgfältigen Untersuchung des Bodens zu. Wenigstens verstand Gabriel kein Mongolisch, sodass er nicht wusste, worum es in dem Lied ging. Doch er würde die Bedeutung in ihren Augen lesen.
    Ihr war schwindelig. Nicht aus Angst, vor Fremden zu singen, nicht von der Wärme im Zelt. Nein. Weil sie in diesem Augenblick etwas begriff. Es war passiert, als sie am wenigsten damit gerechnet hatte. Sie hatte angenommen, dass es sich langsam und allmählich entwickelte, über Monate, vielleicht Jahre hinweg. Doch es war innerhalb weniger Wochen geschehen – aus einem Schössling war ein dichter Wald gewachsen. Nun stand sie inmitten dieses unbekannten Landes der Liebe.
    Ihr Puls raste. Selbst wenn sie sich gerade ihre Gefühle für Gabriel eingestanden hatte, war sie nicht darauf vorbereitet, sie einem Publikum von mehreren Hundert Menschen mitzuteilen. »Wie wäre es mit einem Lied, um den Herbst zu begrüßen?«, schlug sie alternativ vor.
    »Ein Liebeslied«, rief ein Mann.
    »Ja, ein Liebeslied«, forderte auch eine Frau. »Zeig unseren Männern, wie das geht!«
    Bald schrie das ganze Zelt nach einem Liebeslied. Thalia wünschte, sie könnte stattdessen nackt durch ein Brombeerfeld reiten und dabei auf einem Stück Aas herumkauen. Da diese erfreuliche Möglichkeit jedoch nicht zur Debatte stand, blieb ihr keine andere Wahl, als ihnen den Wunsch zu erfüllen.
    »Ich kann meinen großzügigen Gastgebern ihren Wunsch nicht verwehren«, sagte Thalia schließlich, und die Menge schwieg erwartungsvoll.
    Da sie schlecht für ihre Stiefel singen konnte, hob Thalia den Kopf und schloss die Augen. So konnte sie die ungeteilte Aufmerksamkeit ihres Publikums ein wenig ignorieren. Sie holte tief Luft und begann zu singen, ihre Stimme brach und sie hielt inne. Nachdem sie sich geräuspert hatte, begann sie von Neuem. Es war ein sehr altes Lied, das alle Mitglieder des Stammes hundertmal gehört hatten. Es handelte von einem mutigen Reiter, der durch den dichten Winterschnee ritt, um zu einem hübschen Mädchen

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