Die Klinik
ihm großartig.
Sonntag nachmittag war seine frohe Erwartung auf ihrem Höhepunkt angelangt. Es war ein ruhiger Tag. Vorausschauend erledigte er alle routinemäßigen Einzelheiten schon frühzeitig, um jede lästige Verzögerung von vornherein auszuschalten. Über dem Schwesternzimmer hing eine große alte Uhr, die Zeiger standen auf fünfundzwanzig Minuten vor fünf, wie die Beine eines Charleston-Tänzers, der unmittelbar nach dem Kniefächeln erstarrt war. Noch fünfundachtzig lange Minuten, dachte er. Er würde duschen, sich umziehen und nach allen Seiten abgesichert das Krankenhaus verlassen. Gesalbt, gegürtet und behelmt, rasiert, das Gesicht mit Lotion abgerieben, gepudert, Schuhe geputzt, Haare niedergebürstet, mit hochfliegenden Träumen – um Gaby Pender abzuholen.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schloß die Augen. Das große Gebäude war wie ein schlafender Hund, dachte er; es konnte zufrieden dahindösen, aber früher oder später…
Das Telephon surrte.
Schon war die alte Hündin wach, dachte er mit gequältem Lächeln und meldete sich: Unfallstation mit drei Verbrennungsfällen. »Ich komme«, sagte er und ging. Im Lift überfiel ihn Angst, ob es wohl etwas war, weshalb er sich bei seiner Verabredung verspäten würde?
Schon im Gang zur Halle schlug ihm Brandgeruch entgegen.
Es waren ein Mann und zwei Frauen. Adam sah sofort, daß die Frauen nicht allzu schlimm dran und bereits sediert waren; zwei Punkte für den neuen Facharztanwärter der Unfallstation, ein Bürschchen namens Potter, das gute Noten dringend brauchte. Potter hatte eine Tracheotomie bei dem Mann durchgeführt, wahrscheinlich seine erste (ein Pluspunkt für den Mut, und fünf Punkte minus: in diesem Fall hätte er noch ein paar Minuten warten und sie im Operationssaal machen sollen), und hantierte geschäftig und zitternd mit einem Beatmungskatheter herum und versuchte, Sekretionen abzusaugen.
»Hat man Meomartino angerufen?«
Potter schüttelte den Kopf, und Adam rief den Fellow an. »Wir könnten Hilfe brauchen, Doktor.«
Meomartino zögerte. »Können Sie nicht allein damit zurechtkommen?« fragte er scharf.
»Nein«, sagte Adam und legte den Telephonhörer auf die Gabel zurück.
»Gott, schauen Sie sich dieses Zeug an, das ich ihm aus der Lunge ziehe«, sagte Potter.
Adam sah hin und stieß ihn mit der Schulter beiseite.
»Das ist gastrischer Inhalt aus dem Magen. Erkennen Sie denn nicht, daß er aspiriert ist?« sagte er ärgerlich. Er begann, soweit das möglich war, die Kleidung von dem verbrannten Fleisch abzuschneiden und abzuziehen. »Wie ist es passiert?«
»Der Branddirektor untersucht den Fall, Doktor«, sagte Maish Meyerson von der Tür her. »Es war in einem Delikatessenladen. Soweit wir herausbekommen konnten, explodierte eine Bratpfanne. Der Laden war wegen Renovierung geschlossen. Dem Geruch nach zu schließen war die Pfanne mit einer Mischung aus Kerosin und Heizöl gefüllt. Wahrscheinlich entzündete sie sich, knapp bevor man sie zudeckte.«
»Ein Glück für ihn, daß es keine Pizzeria war. Nichts Schlimmeres als Mozarella-Verbrennungen dritten Grades«, sagte Potter und bemühte sich mühsam, seine Fassung einigermaßen wiederzugewinnen.
Der Mann stöhnte.
Adam versicherte sich, daß er noch nicht sediert worden war, gab ihm fünf Milligramm Morphium und sagte dem Facharztanwärter, er solle die Verletzten soweit wie möglich reinigen, was unter den gegebenen Umständen nicht viel war; Feuer verursacht so viel Schweinerei.
Meomartino erschien mit steinernem Gesicht, wurde jedoch etwas umgänglicher, als er sah, daß tatsächlich mehr Hände benötigt wurden, nahm den Frauen Blut für Laborzwecke ab und bestimmte die Blutgruppen, während Adam dasselbe bei dem Mann durchführte; dann gaben sie den Patienten die ersten Elektrolyten und Kolloide mit denselben Nadeln, mit denen sie das Blut entnommen hatten. Als man die drei Patienten in den OP 3 brachte, hatte eine Schwester inzwischen die Brieftasche des Patienten durchsucht, Namen und Alter festgestellt, Joseph P. – für Paul – Grigio, 48. Rafael Meomartino überwachte Potter, der sich um die Frauen kümmerte, während Adam den Harnkatheter bei Mr. Grigio einführte und dann einen Schnitt auf der langen Vena saphena des Knöchels machte, eine Kunststoffkanüle einführte und sie mit Seidenligaturen fixierte, um die intravenöse Rettungsleine herzustellen.
Der Mann hatte schwere Verbrennungen, etwa fünfunddreißig Prozent
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