Die Klinik
zündete sie geistesabwesend selbst an, noch bevor er eine Bewegung machen konnte.
»Wir können die Risiken nicht verkleinern. Wir dürfen Sie in moralischer Hinsicht gar nicht dazu drängen. Es ist eine absolut persönliche Entscheidung.«
»Es ist sehr viel mit hineinverwickelt«, sagte sie müde.
»Ich soll an die Westküste fahren, um einen Film über die große Zeit des Jazz zu machen. Es ist die Chance, auf die ich immer gewartet habe.«
Diesmal schwieg er.
»Sie verstehen nicht, wie das zwischen manchen Schwestern ist«, sagte sie. »Ich habe gestern abend im Flugzeug viel darüber nachgedacht.« Sie lächelte freudlos. »Ich bin die Ältere, wußten Sie das?«
Er lächelte ungläubig.
»Um zehn Minuten. Nach dem Getue meiner Mutter könnte man meinen, es seien zehn Jahre. Melanie war die Babypuppe mit dem hübschen Namen, und Margaret war die verläßliche ältere Schwester. Unser ganzes Leben lang war ich diejenige, die sich um sie kümmern mußte. Seit unserem sechzehnten Lebensjahr sangen wir in Kneipen, wo wir uns fürchteten, die Toilette zu benützen, und ich mußte sie überwachen, daß sie es hinter dem Podium nicht mit irgendeinem lausigen Trompeter trieb. So ging das sechs Jahre lang. Aber nach einer guten Saison mit Leonard Rathbones Fernsehshow begannen wir Erfolg zu haben, wurden für Blinstrub gebucht, und unser Agent stellte Melly seinem Bostoner Vetter vor. Und das war das Ende der Weldon-Zwillinge.«
Sie stand auf, ging zum Fenster und starrte auf den Parkplatz hinaus. »Ich habe mich für sie gefreut. Ihr Mann ist ein netter, anständiger Junge. Hochschulabsolvent, der recht gut verdient. Er behandelt sie wie eine Königin. Mir lag nichts an unserem gemeinsamen Auftreten. Ich habe wieder ganz von vorn angefangen, allein, als eigene Nummer.«
»Sie haben viel Erfolg gehabt«, sagte Meomartino.
»Von dem habe ich mir jedes bißchen selbst verdient. Es bedeutete, wieder ganz unten anzufangen, in den gleichen öden obskuren Lokalen, immer unterwegs. Es bedeutete, jeden Sommer mit der USO in Grönland und Vietnam und Korea und Deutschland und wer weiß wo noch überall auf Tournee zu sein, in der Hoffnung, daß mich jemand Wichtiger sehen würde. Es bedeutete auch vieles andere.« Sie sah ihn kühl an. »Sie sind Arzt, für Sie dürfte es nichts Neues sein, daß auch eine Frau ein Sexleben braucht.«
»Nichts sehr Neues.«
»Nun, es bedeutete auch viele schreckliche Affären einer einzigen Nacht, weil ich nie lange genug an einem Ort blieb, um eine echte Beziehung entwickeln zu können.«
Er nickte, wie immer empfänglich für aufrichtige Frauen.
»Schließlich hatte ich Glück und machte ein paar Platten mit Novitäten, die die kleinen Dummköpfe alle kaufen. Aber wer weiß, was für Platten sie nächstes Jahr oder vielleicht schon nächsten Monat kaufen? Mein Agent erzählt allen, ich sei sechsundzwanzig, aber ich bin dreiunddreißig.«
»Das ist kaum alt zu nennen.«
»Es ist alt, wenn man seinen ersten Film macht. Und es ist zu alt, wenn man zum erstenmal groß im Fernsehen und in den Klubs herauskommt. Dieser Erfolg hätte mir zehn Jahre früher beschieden sein sollen. Es wird immer schwieriger, die Figur zu halten, und in ein paar Jahren habe ich einen faltigen Hals. Wenn ich nicht jetzt ganz hart anziehe, ist alles vorbei. Sie verlangen daher von mir, ihr nicht nur eine Niere zu schenken. Sie verlangen von mir, ihr mehr zu geben, als ich ihr je wieder geben will.«
»Ich verlange nicht, daß Sie ihr überhaupt etwas geben«, sagte Meomartino.
Sie drückte ihre Zigarette aus. »Nun, dann tun Sie es bitte wirklich nicht. Ich muß mein eigenes Leben führen.«
»Möchten Sie sie sehen?« Sie nickte.
Ihre Schwester schlief, als sie ihr Zimmer betraten.
»Wecken wir sie lieber nicht«, sagte Meomartino.
»Ich werde nur hier sitzen und warten.«
Aber Melanie öffnete die Augen. »Peg«, sagte sie.
»Hallo, Mellie.« Sie beugte sich über sie und küßte sie.
»Wie geht’s Ted?«
»Fein. Wie wunderbar, aufzuwachen, und du bist da.«
»Und den beiden kleinen Schweden?«
»Sie sind bezaubernd. Sie haben die Sullivan Show gesehen. He, du, die war so gut, ich war ganz stolz.« Sie blickte zu ihrer Schwester hoch und setzte sich im Bett auf. »Ah, nein, Peg. Nicht.«
Sie nahm ihre Zwillingsschwester in die Arme und streichelte ihren Kopf. »Bitte, Peggy. Peggy, Liebling, tu’s nicht…«
Rafe ging in sein Büro zurück. Er saß an seinem Schreibtisch und versuchte,
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