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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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gute Hure.«
    »Wirklich?«
    »Tja. Sie sind Arzt?«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?« Der Mann hinter der Bar polierte beflissen Gläser. Spur wartete. Im nächsten Augenblick kam es, wie es kommen mußte.
    »Bringen Sie etwas Stoff zu einer unserer kleinen Sitzungen mit, wir wären Ihnen wirklich dankbar.«
    »Aber woher soll ich ihn nehmen, Speed?«
    »Zum Teufel, jeder weiß doch, daß in Krankenhäusern alles mögliche Zeug herumliegt. Niemand wird ein bißchen davon vermissen. Nicht, Doc?«
    Spurgeon stand auf und ließ eine Banknote auf den Tisch fallen.
    »Wissen Sie was«, sagte Nightingale. »Vergessen Sie es. Unterschreiben Sie mir nur ein paar Rezepte. Ich verschaffe uns einen erstklassigen Stoff.«
    »Adieu, Speed«, sagte er.
    »Verdammt guten Stoff.«
    Als er an dem Mann hinter der Bar vorbeiging, blickte der Musikliebhaber nicht einmal vom Gläserpolieren auf.
     
    Er fand in der Musik jene Katharsis, die ihn im OP lockerer machte, ihn als Chirurg tüchtiger und intensiver arbeiten ließ. Verglichen mit den anderen war er wirklich nicht schlecht. An einem Freitag sah er sich als Assistent für Dr. Parkhurst und Stanley Potter eingeteilt. Es ließ sich nicht vermeiden, immer wieder mit dem Facharztanwärter zusammenzuarbeiten, aber jedesmal war es ein unerfreuliches Erlebnis, ohne die üblichen, kollegialen Neckereien, bei dem die Zeit nur langsam verging.
    An jenem Morgen machten sie an Joseph Grigio, dem Verbrennungsfall, weitere Hautübertragungen und verpflanzten frische Haut vom Schenkel auf die Brust. Dann hatten sie eine Blinddarmoperation bei einem sehr dicken Patienten namens Macmillan, einem Sergeanten der Städtischen Polizei. Die Fettleibigkeit des Mannes zwang sie, durch anscheinend nicht endenwollendes Fett zu schneiden, und dann entfernte Dr. Parkhurst den Wurmfortsatz und ließ sie den Darmstumpf abbinden und schließen.
    Spurgeon schnitt, während Potter festhielt und abband. Es schien Spur, daß der Facharztanwärter den Katgutfaden zu fest um den Stumpf anzog, und er war sich dessen sicher, als die Naht im Gewebe zu verschwinden begann.
    »Sie haben zu straff angezogen.«
    Potter sah ihn kalt an. »Das ist genau so, wie ich es bisher immer mit Erfolg gemacht habe.«
    »Die Naht sieht aus, als könnte sie durch die Serosa schneiden.«
    »Es ist schon in Ordnung so.«
    »Aber…«
    Potter hielt die Naht, starrte ihn höhnisch an und wartete, daß Spur schnitt.
    Spurgeon zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. Dieser Kerl ist Facharztanwärter und ich bin Spitalsarzt, dachte er, und schnitt wie ein braver kleiner Junge weiter.
    Er ging nie wieder ins Ace High. Statt dessen bat er an diesem Sonntag Mrs. Williams, ob er hie und da auf ihrem Klavier üben dürfe. Es war ein schlechtes Instrument, und nach Natick zu fahren war nicht so bequem wie die Untergrundbahn zur Washington Street zu nehmen, aber die Musik erfreute Mrs. Williams und gab ihm die Möglichkeit, Dorothy zu sehen.
    Am Dienstagabend, während draußen der erste Winterschnee fiel, saßen sie flüsternd im Wohnzimmer beieinander, während die Eltern und das kleine Mädchen nebenan hinter teilweise geschlossenen Türen schliefen, und sie sagte ihm, sie habe bemerkt, daß ihn irgend etwas quäle.
    Schließlich erzählte er ihr heiser flüsternd von der alten Dame, die seinetwegen gestorben war, vom Todeskomitee und davon, daß er mit seiner Musik immer noch ganz gut verdienen konnte.
    »Oh, Spurgeon.«
    Sie zog seinen Kopf an sich, und er ruhte so weich wie bei Roe-Ellen, als er noch ein kleiner Junge war. Dorothy beugte sich nieder, um seine geschlossenen Augen zu küssen, und er spürte alles aus ihr hervorbrechen, während sie ihn in den Armen hielt, Mitgefühl, Verlangen, die Bereitschaft, in seiner Welt alles wieder in Ordnung zu bringen.
    Aber als er auf diese Annahme hin handelte, heimste er nur eine zerbissene Lippe ein, einen zerkratzten Handrükken, und die Erkenntnis, daß sie noch immer an einer der Grundlehren der Muslims festhielt.
    Er konnte es nicht glauben. In den Milieus, in denen er aufgewachsen war, den schwarzen und weißen, gab es nur wenige vierundzwanzigjährige Jungfrauen. Es erfüllte ihn mit Ehrfurcht, aber er lächelte trotz der schmerzenden Lippe über sie.
    »Ein Stückchen Fleisch. Dünn, oft sehr zart. Hat nichts mit Intimität zu tun. Was bedeutet es schon? Wir sind ja schon intim.«
    »Kennst du dieses Haus, diesen Hof? Es ist nichts anderes als Bauholz, Glas, ein paar Bäume, ein halbes

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