Die Kluft: Roman (German Edition)
des Tages plötzlich verschwunden sind.
Nun war sie nach der schrecklichen Reise den Berg hinauf endlich angekommen; sie »hatte sich selbst ein Bild gemacht«, aber es gab gar nichts zu sehen. Der Anblick des schnellen, von Wellen gekrönten Flusses gefiel ihr nicht; so wenig wie der des Feuers, das mit abgestorbenen Bäumen aus dem Wald am unerhalten gehalten wurde und so riesig war, dass seine Rauchsäule fast bis zu ihr hinaufstieg. Nun war sie da, doch sie konnte sich nicht überwinden, in das Tal hinabzusteigen. Alles, was sie sah, kam ihr feindselig vor. Sie hatte Schmerzen, und ihr war schlecht von der Anstrengung, der sie sich ausgesetzt hatte. Sie stand da, jammerte und fächelte sich Luft zu mit einem Wedel aus toten Blättern, den sie mit der fetten Hand festhielt. Durch ihr Geheul tat sich etwas unten im Tal. Sie sah, dass sich einige Ungeheuer vom Feuer lösten und anfingen, zu ihr hinaufzusteigen. Wieder heulte sie auf, denn sie hatte Angst vor ihnen und konnte sich kaum bewegen. Sie sank zu Boden und stöhnte, und als die jungen Männer angekommen waren, sahen sie nicht nur ein Altes Weibliches Wesen, von dem sie wussten, dass sie es fürchten mussten, sondern auch junge Spalten, die sie nicht kannten. Weil sie glaubten, dass diese Spalten, wie die anderen zuvor, mit freundlichen Absichten gekommen waren, grinsten sie und streckten die Hände nach den unbekannten weiblichen Wesen aus.
Doch die alte Frau kreischte, weil sie den Ungeheuern so nah war, die allerdings Federn und Blätter um die Taille trugen und auf diese Weise verbargen, was die Alte fürchtete. Weil die jungen Spalten kreischend den Berg hinab zurück zur Küste rannten, blieb die Alte Weibliche allein bei den männlichen Wesen, ihren Feinden, und den wütenden Adlern zurück, die ganz in ihrer Nähe auf hohen Felsen saßen. Als die Jungen begriffen, dass sie ihre Feindin war, taten sie etwas Unerwartetes. Sie scharten sich zu einer Gruppe zusammen, starrten den Mädchen nach, die bereits in der Ferne auf die Küste zuliefen, und berieten sich. In der Nähe stand ein alter Baum, der ein paar Äste verloren hatte. Die Jungen zerrten einen großen, abgestorbenen Ast zu der alten Frau, legten sie mit Gewalt darauf und zogen sie dann den Hang hinunter in Richtung Küste, während sie kreischte und zeterte. Die Adler schwebten als Begleitung dicht über ihnen. Das Alte Weibliche Wesen klammerte sich an dem Ast fest, der über Unebenheiten und Steine holperte. Sie weinte und wimmerte, und als sie einmal halb herunterfiel, musste sie wieder hinaufgehoben werden. Die Jungen brauchten alle Kraft, um sie bis zum Todesfelsen zu bringen. Dort ließen sie sie zurück und gingen über den Berg hinweg wieder in ihr Tal.
Die Mädchen, die bei den Jungen zu Besuch waren, fragten, warum sie die Alte Weibliche gerettet hatten. Die Frage schien sie zu überraschen. »Aber sie hat doch geweint«, erklärten sie schließlich.
Nun wurde daran erinnert, dass die Jungen keinen Säugling je weinen ließen. Ein lautes oder weinendes kleines Ungeheuer machte die Älteren verrückt. Die Spalten mussten doch wissen, wie die ersten Ungeheuer geschrien hatten, als die Spalten sie quälten und neckten – und Schlimmeres. Woran erinnerten sie sich, wenn einer der Säuglinge schrie?
»Sie hat so einen Lärm gemacht …«, sagten die Jungen. Dann: »Sie hat die jungen Adler aufgeregt.« »Ja, die jungen Adler hatten Angst.«
Nach diesen Erklärungen wurde schließlich der wirkliche Grund genannt: »Diese Spalten, die waren zu dumm, dass sie die Alte weinen ließen. Es war doch ganz leicht: Wir haben sie einfach auf den Ast gelegt und nach unten gezogen, weiter nichts. Darauf sind die Spalten gar nicht gekommen.«
Die Tatsache, dass die Alte Weibliche blau geschlagen und sogar blutend am Felsen angekommen war, kümmerte die Jungen nicht. Was zählte, war ihre Leistung, die auch noch die Dummheit der Spalten hervorhob.
Aus diesem Vorfall wurde: »Die törichten Spalten. Die wussten nicht einmal, wie sie die Alte retten sollten.«
Ungefähr seit dieser Zeit gab es Aufzeichnungen darüber, wie die Spalten von den Jungen sprachen, und immer hieß es: »Warum haben sie das bloß getan? Sie machen so komische Sachen, die Jungen.«
Hier ist nur von einigen Spalten die Rede, die mit Maire und Astre befreundet waren. Andere schauderten, wenn von den Bewohnern des Tals die Rede war.
Es setzte sich durch, dass die Jungen »töricht« waren, ungeschickt.
Doch es gibt
Weitere Kostenlose Bücher