Die Knickerbocker Bande 25 - Der grüne Glöckner
Glockenturm, um ihn zu holen und hinzurichten. Aber das Tor war verriegelt und verbarrikadiert. Von hoch oben, aus den Fenstern des Glockenraumes herab verfluchte der Glöckner die rachsüchtige Meute, die ihm nach dem Leben trachtete. Er schwor, daß sie ihn niemals lebendig kriegen würden.
Mit einem dicken Holzbalken als Prellbock gelang es den Leuten schließlich, das Tor aufzubrechen. Doch sie kamen nicht weit, denn das Gemäuer begann einzustürzen. Die Leute konnten sich gerade noch in Sicherheit bringen, bevor der hohe Turm donnernd und krachend in sich zusammenfiel. Eine gigantische Staubwolke stieg zum Himmel, und ein schauriger Schrei ertönte. Es war der letzte Schrei des Glöckners, der unter den Trümmern begraben wurde.“
Lieselotte hatte mit großen Augen der Erzählung des Mannes gelauscht. „Und... weiter?“ drängte sie. Onkel Henry schüttelte wieder den Kopf. „Es geht nicht mehr weiter. Das heißt, falsch. Die Menschen wollten natürlich die gestohlenen Dinge wiederhaben und gruben in dem Schutt danach. Der Sage nach tauchte aber jedesmal der Geist des Glöckners auf, grün im Gesicht und an den Händen, und verursachte ein Unglück. Deshalb ließen die Leute die Suche schließlich bleiben, und der Schatz des Glöckners ruht noch heute in der Erde.
Übrigens, der bekannte Glöckner von Notre Dame - also von der großen Kirche - ist die Erfindung des Schriftstellers Victor Hugo. Angeblich hat ihn der sagenhafte Grüne Glöckner auf diese Idee gebracht“, schloß der Mann seinen Bericht.
Eine letzte Frage hatte Lieselotte, die etwas mißtrauisch war, noch: „Woher wissen Sie das alles so genau?“
Onkel Henry lächelte. „Diese Geschichte steht bruchstückhaft auf der Rückseite des Bildes. Einiges habe ich mir zusammengereimt, aber ich bin sicher, es war alles so... irgendwann, irgendwo, irgendwie. Denk daran, Mädchen, es handelt sich um eine Sage. Da weiß man nie, was wahr und was erfunden ist! Ich könnte dir über viele Bilder, die hier hängen, etwas erzählen. Mein Spitzname lautet deshalb ,Märchenonkel’, aber das stört mich nicht. Viele halten mich für einen alten Spinner, der nicht mehr ganz richtig im Oberstübchen ist. Sie irren sich. Hinter allem steckt mehr, als sich die meisten Menschen träumen lassen. Vergiß das nie.“
Das Superhirn knetete seine Nase auf Hochtouren. Sage hin, Sage her. Tatsache war, daß der Grüne Glöckner wieder aufgetaucht war und Unglück verursachte. Hatte sich Lieselotte getäuscht? Konnte es sich vielleicht doch um einen echten Geist handeln? Steckte gar kein Mensch dahinter?
Onkel Henry hatte die Finger verschränkt und ließ seine Handknöchel knacken. Er versuchte sich zu erinnern.
„Mädchen, paß auf... mir ist soeben etwas eingefallen. Ich weiß nicht, wieso ich nicht früher daran gedacht habe“, stieß er hervor. „Vielleicht kann ich dir das Bild des Grünen Glöckners in alter Pracht zeigen. Also genau so, wie es vor der Zerstörung ausgesehen hat.“
„Ja, aber wieso können Sie das plötzlich? Es gibt doch kein Foto!“ meinte Lieselotte.
Monsieur Henry lächelte verschmitzt. „Es gibt ein Archiv mit Zeichnungen. Zahlreiche Bilder sind von Kunststudenten abgezeichnet worden. Viele davon sind aufbewahrt worden. Drück die Daumen, daß einer der Studenten Gefallen an dem gräßlichen Glöckner gefunden und ihn kopiert hat. Ich werde mich nächste Woche in das Archiv begeben und suchen.“
Damit war das Superhirn nicht einverstanden. „Geht’s nicht sofort?“ fragte Lilo vorsichtig. „Ich helfe Ihnen auch gerne.“
Der alte Mann hatte einen anderen Vorschlag. „Du kaufst schnell für mich ein und gehst mir dann ein bißchen zur Hand.“
Rette deine Freunde!
Während Lieselotte die Geschichte des Grünen Glöckners erfuhr, lief Dominik in Nicoles Zimmer unruhig auf und ab. Die Minuten erschienen ihm wie Stunden. Er fühlte sich äußerst unbehaglich in seiner Haut. Wo blieb Axel? Wieso ließ Lieselotte nichts von sich hören? Warum hatte er eingewilligt, allein hier zu bleiben? Nicole und Poppi fuhren einfach zum Spaß auf den Eiffelturm. Ungerecht fand er das. Außerdem überaus unprofessionell. Das wollte er seinen Kumpeln auch sagen. Dominik nahm sich das fest vor.
Im Vorzimmer schrillte das Telefon. Das Läuten ging dem Jungen durch Mark und Bein. Durfte er abheben? Ach was! dachte er. Was soll schon geschehen? Das Telefon wird mich schon nicht beißen. Es kann sich ja um eine wichtige Botschaft
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