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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Er hielt ihm Zeige- und Mittelfinger unter die Nasenlöcher, um festzustellen, ob er noch atmete. Sie haben ihn totgeschlagen! Meinetwegen haben sie ihn totgeschlagen. Lieber Gao Ma … mein lieber Gao Ma … Jinjüs zusammengezogenes Herz entspannte sich, sie war versunken in das Glück ihres honigsüßen Schmerzes. Wieder stieg der süßliche, Übelkeit erregende Geschmack langsam aus der Tiefe ihrer Kehle nach oben.
    Unzählige grüne Lichtpunkte tanzten anmutig schwingend vor ihren Augen. Wenn sie gegen die Juteblätter und -stengel prallten, knisterten sie leise. Die Sonne brannte. Auf den Paprikafeldern des Kreises Grünes Pferd loderten unzählige heiße rote Flammen. Ein dattelbraunes Fohlen kam aus dem Paprikafeld herausgesprungen. Es wedelte mit dem Schwanz, dann galoppierte es wieder über die roten Flammen. Im Feuerschein schimmerten seine Hufe wie Perlen. Das Bronzeglöckchen, das ihm am Hals hing, klingelte hell und anmutig.
    Gao Mas Gesicht begann anzuschwellen. Blutflecken und Erdkrümel bedeckten seine glänzende dunkle Haut. Er lag gerade, Arme und Beine ausgestreckt. Assistent Yang zog die Hand zurück, legte das Ohr auf Gao Mas Brust und horchte. Jinjü hörte Gao Mas schweres und kräftiges Herzklopfen, das dem gleichen Takt folgte wie die eiligen, hellen Hufe des dattelbraunen Fohlens. Das Hufgetrappel klang wie eine kleine Trommel, der Herzschlag wie eine Pauke.
    Lieber Gao Ma, du darfst nicht sterben, du darfst mich nicht verlassen, stöhnte Jinjü. Sie sah, wie das vertraute dattelbraune Fohlen an den Straßenrand gesprungen kam und dann langsam am Rand des Paprikafeldes hin und her ging. Seine Hufe wateten durch das wogende rote Feuer wie durch fließendes Wasser. Das Bronzeglöckchen an seinem Hals klingelte hell, mit langem Nachhall. Das Fohlen verharrte am Straßenrand, aus seinen blauen Augen blickte es auf Gao Mas ruhig lächelndes Gesicht.
    »Da habt ihr aber Glück gehabt!« Assistent Yang erhob sich. »Er lebt noch. Wenn er stirbt, müßt ihr beide ins Gefängnis. Davor könnte euch keiner bewahren.«
    »Onkel Acht, was sollen wir tun?« fragte der Ältere Bruder hilfesuchend.
    »Durch euch bin ich in diese Sache hineingeraten.« Assistent Yang holte ein weißes Fläschchen aus der Tasche, schüttelte es und erklärte: »Das ist Weiße Medizin aus Yünnan, die ich mit viel Mühe von Doktor Zhang bekommen habe. Sie enthält eine lebensrettende Substanz. Die müssen wir diesem Kerl geben.«
    Assistent Yang hockte sich neben Gao Mas Gesicht, schraubte das Fläschchen auf, nahm eine hellrote Pille heraus, hielt sie demonstrativ in die Höhe und sagte: »Öffnet seinen Mund.«
    Die Brüder wechselten erneut einen Blick. Der Ältere legte den Kopf schief, der zweite Bruder kniete sich hin und zog mit seinen groben, schwarzen Fingern Gao Mas Lippen auseinander. Die Pille zwischen den Fingern, hielt Assistent Yang noch einmal dramatisch inne, ehe er sie erkennbar widerwillig in Gao Mas Mund schob.
    »Kleiner Guo, hol die Feldflasche!« rief Assistent Yang seinem Fahrer zu.
    Der Fahrer kletterte träge aus dem Wagen und brachte eine oliv lackierte, abgenutzte Feldflasche mit. Auf seiner Wange zeichnete sich eine halbkreisförmige Druckstelle ab, als hätte er mit dem Gesicht auf dem Lenkrad geschlafen. Assistent Yang schüttete Wasser in Gao Mas Mund. Es roch nach Schnaps.
    Die vier Männer standen im Kreis um Gao Ma, wie vier schwarze Holzpfeiler. Acht Augen beobachteten reglos Gao Mas Gesichtsausdruck. Das dattelbraune Fohlen war wieder losgaloppiert. Sein Hufschlag klang hell. Die von seinen Hufen geschlagenen Funken knisterten leise. Es beschrieb einen Kreis, der auch Jinjü einschloß. Als es durch das Jutefeld sprang, teilten sich die Stengel wie weiche Weidenzweige, um es durchzulassen. Die grünen Lichtpunkte prallten sanft von seinem glatten Fell ab. Kleines Fohlen, kleines Fohlen. Jinjü streckte die Arme aus, um den seidenglatten Hals des Fohlens zu umfassen.
    Gao Mas Hand bewegte sich.
    »Bravo!« rief Assistent Yang. »Die Weiße Medizin aus Yünnan ist doch etwas wert, sie ist verdammt wirksam.«
    Gao Ma öffnete die Augen einen Spalt weit. Assistent Yang beugte sich zu ihm hinab und sagte freundlich: »Kerl, du bist noch mal davongekommen. Ohne die lebensrettende Weiße Medizin aus Yünnan wärst du jetzt schon bei Karl Marx.«
    Über Gao Mas Lippen spielte ein seliges Lächeln. Er nickte Assistent Yang zu.
    »Onkel Acht, was machen wir jetzt?« fragte der Ältere Bruder.
    Aus

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