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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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fragte er.
    „Nichts Gutes”, antwortete sie und sah sich nach ihren Kollegen um.
    „Dachte ich mir schon. In dem Nest hier sieht man wahrscheinlich selten so viel Polizei auf einem Haufen.”
    „Du bist nicht von der Presse, oder?”
    „Nö ... ich bin Barkeeper”, antwortete Lukas. „Ich geb Leuten was zu trinken.”
    Nadine zögerte. Durfte sie nichts sagen? Dann aber, mit gedämpfter Stimme:
    „Ein kleiner Junge ist umgebracht worden, gerade eben erst … wurde wohl übel zugerichtet. Eine Anwohnerin hat ihn im Wald gefunden, hab gerade mit ihr gesprochen.”
    Lukas schluckte, ihm wurde kalt. Es war ihm, als würde irgendwo in seinem Körper etwas Schweres nach unten sacken. Aber irgendetwas musste er sagen, er zwang sich dazu und es kam halbwegs stabil heraus.
    „Bist du bei der Mordkommission?”
    „Nee, ganz normal Schutzpolizei, sieht man doch. Ich hab die nur gefragt, ob es ihr gut geht. Das war wohl wirklich ein heftiger Anblick … viel Blut und so. Nicht dass die noch 'nen Nervenzusammenbruch kriegt.”
    „Ach so”, sagte Lukas. Etwas Besseres fiel ihm nicht ein. Er bemerkte, dass er Kopfschmerzen bekam.
    „Hat aber ganz stabil gewirkt, die Frau. War wohl froh, dass sie mal was zu erzählen hat … Okay Lukas, ich muss jetzt wieder zu den Kollegen. Die werden sauer, wenn ich hier rumstehe und mit alten Freunden quatsche.”
    „Alles klar, vielleicht sieht man sich ja.”
    „Ja, vielleicht”
    Nadine ging zu den anderen Uniformierten und Lukas ging zurück zu seinem Golf. Es war also wieder passiert. Lukas war sich sicher, dass sie es war ... dieses große Geheimnis, dieses verdammte Stück Dreck, dieses Gespenst aus seiner Vergangenheit. Er startete den Wagen und fuhr Richtung Supermarkt. Er hatte ein flaues Gefühl im Magen und immer noch zitterten seine Hände. Fest umklammerte er das Lenkrad, weiß traten die Knöchel hervor. Vielleicht , so dachte er, wäre das nicht passiert, wenn ich gestern schon nach Rothenbach gekommen wäre. Vielleicht hätte ich gleich gestern das mit dem Blut anfangen müssen ... die Schüssel mit meinem Blut in den Wald stellen müssen. Lukas versuchte, sich den Gedanken zu verbieten. Er konnte es nicht brauchen, sich schuldig zu fühlen … es gab auch gar keinen Grund dafür. Das mit dem Blut hatte er ja nicht gewusst, Frau Schneider hatte ihm nichts davon gesagt. Sie hatte ihm nur gesagt, dass er nach Rothenbach müsse. Es war nicht seine Schuld! Woher hätte er es wissen sollen? Woher verdammt? Schluss jetzt! Was für eine Scheiße!
     
    *
     
    Lukas hatte wahllos Lebensmittel gekauft. In Gedanken war er abwechselnd bei Nadine – ohne es zu wollen erinnerte er sich an ihren Geruch. Gar nichts Besonderes. Ein Parfum, das damals viele Mädchen hatten – und bei dem Jungen, den es erwischt hatte. Vielleicht war es ja doch etwas anderes … irgendein Perverser, ein verdammter Kinderschänder. Aber Nadine hatte „übel zugerichtet” gesagt. Ein Junge, der im Wald übel zugerichtet wurde. Natürlich war sie es! Die Schneiders konnten ihr archaisches und wenig appetitliches Blutritual nicht mehr ausüben und da hatte sie zugeschlagen.
    Jetzt stand Lukas an der Kasse und nur langsam ließ sein Kopfschmerz nach. Vor ihm zwei Jugendliche, die nichts gekauft hatten als bunte Energydrinks. Was wollten die mit dem ganzen Dreck?
    In Lukas' Einkaufswagen lagen mehrere Dosen Ravioli, ein Stapel Tiefkühlpizzen, einige Flaschen Orangensaft, Äpfel, Zigaretten, Schokolade, Instantkaffee, Nudeln, Ketchup, Kartoffeln, Sonnenblumenöl, Toast, Nutella, Wurst und Käse. Lauter normales Zeug, das nicht viel Arbeit macht. Irgendwann hatte Lukas einfach das Gefühl gehabt, dass es genug war, dass er mit dem Kram etwas anfangen konnte, der da in seinem Einkaufswagen herum rutschte. Er legte die Sachen aufs Band und irgendwie kam ihm die Kassiererin bekannt vor. Den Laden hatten sie hergerichtet, an den ehemals kahlen Wänden hingen Hochglanzfotos mit Gemüse- und Obstmotiven, sauber verklebt hinter Plexiglas. Die Angestellten waren aber teils noch die Gleichen ... nur eben älter und ein wenig verbrauchter. Die Kassiererin hatte gerade etwas zu Lukas gesagt aber er hatte nicht zugehört.
    „Wie bitte?”
    „Ich muss die Kollegin rufen, ich hab die Spaghetti zweimal rüber gezogen.”
    „Ach so … kein Problem.”
    „Und die blöde Kuh ist immer gleich genervt”, flüsterte die Kassiererin. Sie hatte wache blaue Augen und einen russlanddeutschen Akzent. Schon kam die

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