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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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ab, bevor er noch jemand umbringt. Der ist völlig mit den Nerven runter. Wie gesagt: Der hat angefangen, mit mir übers Gewichtheben zu reden. Der wollte von mir wissen, wie viele Kilos ich heben kann. Ich dachte, der knallt mich gleich ab, wenn ich die falsche Antwort gebe. Ich könnte den anzeigen.”
    „Sein Sohn ist tot. Ich würde auch durchdrehen, wenn jemand meinen Kindern was tun würde.”
    „Okay, ich zeig ihn ja nicht an. Aber er soll mich in Ruhe lassen. Sagt ihm, dass ich nicht da war, als es passiert ist. Und schickt ihm irgendwie 'nen Psychologen oder Therapeuten oder Pfarrer oder so was.”
    „Wir kümmern uns schon. Und jetzt hau ab und verhalt dich ein bisschen weniger auffällig.”
    „Ich versuch es … ruf mich mal an.”
    Lukas stand auf der Straße vor dem Polizeirevier, zündete sich eine Zigarette an und überlegte, noch einmal hineinzugehen. Sein Auto stand am anderen Ende des Ortes, mindestens zwei Kilometer entfernt. Vielleicht würde Nadine ihn hinfahren, wenn er nett fragte. Aber dann lief er doch los, vielleicht hatte ein Spaziergang ja beruhigende Wirkung. Und vielleicht konnte er unterwegs zu Mittag essen. Er hatte zwar keinen Appetit aber sein Magen knurrte. Lukas kam an dem Pizza- und Döner-Laden vorbei, den er am Tag zuvor gesehen hatte, ging aber nicht rein. Drinnen saßen irgendwelche Jugendliche und nach seinem Erlebnis vorgestern hatte er keine Lust auf Jugendliche. In einer kleinen Bäckerei kaufte er sich ein mit Tomate und Mozzarella belegtes Brötchen und einen Kaffee. Er aß sein Brötchen an einem der Stehtische und nahm den Rest Kaffee mit nach draußen. Als er durch die Straßen Rothenbachs lief, da bemerkte er an sich Anflüge von Nostalgie. An den Gebäuden, Straßenkreuzungen und Bäumen machten sich Erinnerungen fest. Hier ging immer der Fasnachtszug durch. Und hier standen früher diese grauen Stelen, auf denen er als Kind herumgeklettert war. Sie waren fort, ersetzt durch einen blau schimmernden Glaskasten, der sich nur bei genauerer Erforschung als öffentliches WC zu erkennen gab. Lukas musste grinsen. Was machte dieses Zukunftsklo in all dieser Dörflichkeit? Wie konnte solch architektonischer Wagemut angesichts pastellfarbenen Fachwerkelends überleben? Konnten Gebäude an Einsamkeit sterben? Das Ding wirkte deplatziert, ein zum Scheitern verurteilter Versuch, ein wenig Weltläufigkeit in dieses Kaff zu bringen.
    Nach zwanzig Minuten Fußmarsch sah Lukas sein Auto und er sah den Pfad, den er vor über einer Stunde gegangen war. Sollte er das Messer suchen? Das lag noch bei diesem Farn-Brennnessel-Gestrüpp … dort wo er die Katze und den verklebten Vogel gesehen hatte, dort wo ihn der Vater des toten Jungen mit seinem scheiß Gewehr bedroht hatte. Lukas entschied sich gegen den Pfad und für sein Auto. Er schloss auf, warf den Rucksack auf den Beifahrersitz und wollte gerade einsteigen, als er hinter sich Schritte hörte. Es war Yvonne, das Mädchen, das er nach Hause gefahren hatte. Sie trug immer noch den graugrünen Bundeswehrparka, für den es eigentlich schon zu warm war.
    „Hi”, sagte Yvonne.
    „Hi” antwortete Lukas. „Was gibt’s?”
    „Du hast vorhin was liegen gelassen.” Sie grinste ihn an und zog hinter ihrem Rücken das große Küchenmesser hervor. Lukas stöhnte auf und merkte, dass er wütend wurde. Das war alles viel zu viel. Er atmete einige Male tief durch, erst dann fragte er, was er fragen wollte.
    „Bist du mir nachgegangen?”
    „Klar.”
    „Und warum verdammt nochmal?” Er musste sich beherrschen, das Mädchen nicht anzubrüllen.
    „Langeweile … gibt ja sonst nichts zu tun hier.”
    Yvonne sah ihm in die Augen und grinste ihn an. Lukas grinste nicht, er antwortete auch nicht … dann sagte er doch etwas.
    „Scheiße! Ich würde echt gerne wissen, wie viele Leute einem hier im Durchschnitt so nachschleichen.”
    „Im Durchschnitt sind es zwei … normalerweise ich und ein wütender Typ mit Gewehr.”
    „Dann hast du das vorhin alles mitgekriegt?”
    „Klar, hab alles gesehen … du hast das übrigens ganz gut gemacht, so wie du mit dem gesprochen hast. Wie lief es bei den Bullen?”
    Als Lukas nicht antwortete, da hielt sie ihm das Messer hin. Erst mit der Klinge voraus und dann – als er es nicht nahm – mit dem Griff.
    „Keine Sorge, ich stech dich nicht ab. Deine Chance zu sterben, die hattest du heute schon.”
    Lukas nahm ihr das Messer ab und warf es ins Auto.
    „Fährst du mich nach

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