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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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den Todeskampf dieses Wesens zu beenden. Er überlegte noch, als er hinter sich ein Rascheln hörte. Ruckartig drehte er sich um und hielt dem Geräusch das Messer entgegen. Nichts. Nur der Pfad und die Stämme und das ganze verdammte Grün. Er drehte sich wieder um, wollte sich um das sterbende Tier kümmern und erschrak. Da war nichts mehr, kein verklebter, blutender Jungvogel. Nur Erde und Schotter. Hatte sich das Tier mit letzter Kraft ins Gebüsch geschleppt? Nein! Das war nicht möglich. Und auf einmal war sich Lukas sicher, dass da nie ein Vogel gewesen war … und auch keine Katze. Wie wahrscheinlich war es, dass eine Katze einen noch lebenden Vogel hervorwürgte? Alles war nur eine Halluzination … sie musste in der Nähe sein … das verdammte Knochenweib! Lukas umklammerte den Holzgriff des großen Küchenmessers und hielt den Atem an. Und auf einmal hörte er hinter sich ein Knirschen. Etwas bewegte sich auf dem Schotter. Bevor Lukas sich umdrehen konnte, bohrte sich etwas Hartes zwischen seine Schulterblätter.
     

9. Frenching the Bully
     
    „FALLEN LASSEN! DAS MESSER FALLEN LASSEN! SONST KNALL ICH DICH AB!”
    Lukas begriff, was das war, das da zwischen seinen Schulterblättern saß. Er ließ das Messer los.
    „JETZT DEN RUCKSACK RUNTER! LANGSAM DEN RUCKSACK RUNTER! UND DANN DIE HÄNDE HOCH!”
    Der Druck auf seinem Rücken war weg. Der Mann war einen Schritt zurück getreten. Lukas schälte sich aus den Trägern seines Rucksacks und stellte ihn rechts neben sich auf den Boden. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Rucksack nach hinten weggezogen wurde.
    „Hören Sie-”
    „MAUL HALTEN! HÄNDE OBEN LASSEN!”
    Lukas gehorchte. Kurz überlegte er, sich nach dem Messer zu bücken, begriff aber sofort, dass dies die mit Abstand dümmste Idee war, die man in solch einer Situation haben konnte. Er hörte, wie sein Rucksack ausgekippt wurde. Etwas Schweres plumpste auf den Schotter, wahrscheinlich die Wasserflasche. Einige Sekunden vergingen und Lukas machte einen zweiten Versuch. Er versuchte, weder ängstlich noch aggressiv zu klingen.
    „Vielleicht sagen Sie mir einfach, was das hier zu bedeuten hat.”
    Es kam keine Antwort.
    „Sagen Sie mir doch einfach, was Sie von mir wollen.”
    Das Atmen des Mannes wurde schneller und aggressiver. Lukas kam es vor wie das Schnauben eines großen Tiers. Drück nicht ab. Drück bitte nicht ab. Mach bloß kein Scheiß.
    „WAS ICH WILL? WAS ICH VON DIR WILL? WAS WILLST DU HIER, DU SAUHUND?
    „Ich kann Ihnen alles erklären, wenn Sie mich sprechen lassen”, antwortete Lukas und merkte, dass sich dieser Satz gerade unglaublich blöd angehört hatte. Wer war dieser brüllende Mann? Und was zum Teufel sollte er ihm erklären?
    „Darf ich mich umdrehen?”, fragte Lukas.
    „Aber keine falsche Bewegung. Und zuerst mit dem Fuß das Messer wegschieben.” Die Stimme klang gepresst, durchtränkt und verzerrt von mühsam unterdrückter Wut. Aber zumindest brüllte der Typ nicht mehr. Lukas schob mit der Fußspitze das Messer von sich weg, drehte sich langsam um und sah einen leicht untersetzen Mann Mitte dreißig. Er trug Jeans und eine blaue Sommerjacke. Außerdem hielt er ein großes Jagdgewehr auf Lukas' Brust gerichtet.
    „Hören Sie, ich weiß, dass es komisch aussieht, wenn ich hier mit einem Messer durch die Gegend laufe. Aber deswegen müssen Sie mich nicht gleich mit einem Gewehr bedrohen.”
    Drei Sekunden Schweigen.
    „Ich hab dich noch nie gesehen … was machst du hier?”
    „Ich bin hier in Rothenbach geboren, wohne aber in Freiburg. Ich bin nur zu Besuch. Bitte nehmen Sie doch das Gewehr runter … nicht dass das irgendwie losgeht.”
    Der Mann nahm das Gewehr nicht herunter. Er nahm es höher und zielte auf Lukas' Kopf. Darin rasten die Gedanken: Sich ducken und den Mann anspringen? Drehung zur Seite und den Lauf des Gewehrs weg schlagen? Stillhalten? Etwas Beruhigendes sagen? Einen Schwächeanfall vortäuschen?
    „GLAUBST DU, DU SCHAFFST MEHR ALS ICH?”, stieß der Mann hervor. Er reckte den roten Kopf und fletschte die Zähne. Die Mündung des Gewehrlaufs zitterte zwischen Lukas' Stirn und dem Punkt zwischen Lukas' Augen.
    „Was?”
    „MACHST DU BANKDRÜCKEN?”
    „Äh … nein.”
    „ICH HEB ZEHNMAL 90 KILO: GLAUBST DU, DU SCHAFFST MEHR ALS ICH?”
    „Nein, wahrscheinlich nicht … bestimmt nicht. Ich mach kein Bankdrücken. Ich bin nur diesen Weg hier lang gegangen. Ich weiß gar nicht, was Sie von mir wollen.”
    Der Mann stand nur da,

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