Die Knochenfrau
setzte sich ein wenig mühsam neben sie auf das alte, graubraune Parkett. Er hatte Muskelkater in den Beinen.
Von unten kam kein Ton, die Frau schlief tief und fest in einer giftig-süßen Wolke aus Alkohol, Schmerzmitteln und Psychopharmaka.
„Liegt sie unter dem Küchentisch?”
„Ja.”
„Auf der Seite?”
„Ja.”
Lukas zog seine zerknautschte Packung Luckies aus der Jackentasche, fischte eine heraus und steckte sie sich an.
„Deine Mutter sieht total kaputt aus. Was ist mit ihr passiert?”
„Das Leben.”
„Na klar, das Leben mal wieder. Geht's ein bisschen genauer?”
„Sie hat sich das alles eben anders vorgestellt. Sie war mal erfolgreich als Malerin, vor ungefähr 15 Jahren. Aber dann hörte das auf, keine Ahnung warum. Dann ist mein Vater abgehauen und als das Geld alle war, ist sie mit mir zurück nach Rothenbach. Das mit dem Trinken und den Medikamenten geht aber schon länger. Sie hat sogar gesoffen, als sie mit mir schwanger war. Eigentlich ein Wunder dass ich nicht kleinwüchsig bin … oder Schwimmhäute und rote Augen hab.”
„Aber wieso sieht sie so kaputt aus? … also im Gesicht.”
Noch während er es aussprach, befürchtete Lukas, dass die Frage vielleicht zu weit ging. Aber Yvonne antwortete ganz ruhig.
„Keine Ahnung, wahrscheinlich die vielen Medikamente. Wollte sie dir einen blasen?”
„Frag nicht so blöd, du hast doch sowieso alles mitgehört.”
„Und? Hast du kurz überlegt?” Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und grinste Lukas an. Es war ein brüchiges, gezwungenes Grinsen.
„Nein, hab ich nicht. Ich dachte, die geht gleich auf mich los, so wie die drauf war. Sollen wir jetzt 'nen Krankenwagen rufen oder was?”
„Nicht nötig. Sie schläft sich aus und morgen sitzt sie wieder vor dem Fernseher und schaut ihre Serien. Ist immer die gleiche Scheiße. Morgen heißt es wieder: Tut mir so leid Yvonne, ich hab das alles nicht so gemeint.”
„Und du machst das einfach mit?”
„Was dagegen?”
Yvonne stand auf und ging zu einer kleinen Flurkommode. Lukas warf einen schnellen Blick auf ihren Hintern und schämte sich im gleichen Moment dafür … zumindest ein bisschen . Ich muss endlich mal aufhören, allen Frauen auf den Arsch zu schauen. So notgeil bin ich doch überhaupt nicht.
Yvonne kam mit einer gelblichen Porzellanuntertasse wieder. Sie setzte sich neben Lukas und drückte ihre Zigarette aus.
„Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du dich in Sachen einmischst, die dich nichts angehen?”
„Hab ich schon mal gehört”, antwortete Lukas. Er rauchte schweigend seine Zigarette fertig und Yvonne schob ihm die Untertasse rüber. Sie blieb an einer Fuge des alten Parketts hängen, war aber in Lukas' Reichweite.
„Willst du eigentlich deine CD wieder zurück?”, fragte Yvonne.
„Nö, schenk ich dir. Ich brenn sie mir dann neu.”
„Danke, nett von dir.”
„Hör mal, Yvonne. Jetzt wo deine Mutter schläft, da könnten wir doch nachschauen, ob wir diese Aufzeichnungen von deinem Urgroßvater-”
„Ur-Urgroßvater”, verbesserte Yvonne.
„Okay, Ur-Urgroßvater. Vielleicht sind diese Aufzeichnungen über diese dürre Frau ja irgendwo hier im Haus. Vielleicht könnten wir zusammen nachschauen.”
„Die sind nicht mehr hier”, antwortete Yvonne. Ihre Stimme hatte auf einmal diesen trotzigen, abweisenden Ton, der Lukas so unangenehm war.
„Bist du dir sicher? Vielleicht oben auf dem Dachboden.” Lukas machte eine Armbewegung in Richtung einer Luke, von der er glaubte, sie führe auf den Dachboden. Ein altes, zerfasertes Seil hing herab.
„Nein, da oben kenn ich mich aus. Da ist nichts.”
„Oder vielleicht unten im Keller. Das Haus hier sieht aus, als wäre in den letzten Jahrzehnten nicht viel verändert worden. Vielleicht liegen auch noch die Sachen von deinem-”
„Nein, da unten ist nichts.”, unterbrach ihn Yvonne. Es klang aggressiv.
„Jetzt reg dich nicht gleich auf. Vielleicht können wir ja mal zusammen nachschauen und-”
„HÖRST DU MIR EIGENTLICH NICHT ZU? DER SCHEISS IST NICHT IM KELLER!”
„Is ja gut, is ja gut.” Lukas hielt den Mund, er würde nicht mehr nachfragen. Hauptsache, sie brüllte nicht herum. Nicht dass sie ihre Mutter weckte und er es plötzlich mit einer völlig Verrückten und einer möglicherweise Halbverrückten zu tun hatte. Er sah sich schon von zwei schreienden Frauen umzingelt. Und eine davon versuchte, ihm an die Wäsche zu gehen.
„Du haust jetzt besser ab. Ich krieg
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