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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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das hier allein hin … ich hab bisher auch alles allein hingekriegt.”
    „Ich hau ja gleich ab. Aber noch mal zu der dürren Frau-”
    „Wenn du nicht gehst, dann sag ich der Polizei, dass du hier eingebrochen bist und mich vergewaltigen wolltest.”
    Lukas blähte die Backen und atmete laut aus.
    „Bist du jetzt völlig bescheuert? Den Scheiß glaubt dir kein Mensch.”
    Yvonne antwortete nicht. Lukas sah sie an und wartete auf eine Reaktion. Aber das Mädchen starrte stur geradeaus an die Wand. Er hatte Mitleid mit ihr, war gleichzeitig genervt von ihr und wusste außerdem, dass das hier nichts mehr brachte. Er stand auf und ging ohne ein weiteres Wort die Treppe hinunter. Er durchquerte das verwüstete Wohnzimmer mit den grotesken Gemälden, diesen Zeugnissen einer gescheiterten Künstlerkarriere, ging durch den stickigen, zugemüllten Flur und hinaus an die frische Luft. Er setzte sich in sein Auto, kurbelte ein Fenster herunter und atmete tief ein.
    Als Kind hatte Lukas geglaubt, es ginge allen Menschen ungefähr gleich gut. Wenn jemandem etwas Schlimmes passierte, dann kam auch wieder etwas Gutes und so glich sich immer alles aus. Ab und zu neigte er auch heute noch zu dieser Ansicht. Tatsächlich war es wohl so, dass einige Glückliche von der Geburt bis zum Tod ein schönes, sorgenfreies Leben hatten, während das Schicksal für andere nichts als einen großen Eimer Scheiße und ein schadenfrohes Lachen bereithielt. Lukas startete den Wagen und machte sich davon.
     

13. Alles klar, Kollege?
     
    Er war kurz nach eins, der Regen hatte aufgehört. Lukas hatte an der einzigen Tankstelle des Ortes vollgetankt, hatte sich in einer kleinen Bäckerei, die er noch von früher kannte, zwei belegte Brötchen und ein Mandelhörnchen gekauft und weil er das Mandelhörnchen beim Fahren gegessen hatte, klebten seine Hände jetzt am Lenkrad.
    Er wusste nicht so recht, wohin er sollte und fuhr ziellos in Rothenbach herum. Ab und zu sah er bekannte Gesichter. An einer Ampel stand ein Mann in kurzen Hosen, er hatte unglaublich fleischige und völlig haarlose Waden. Eigentlich war es noch zu kühl für kurze Hosen, Lukas aber wusste, dass dieser Mann zu jeder Jahreszeit kurze Hosen trug, selbst im tiefsten Winter. Der Mann in den kurzen Hosen hieß Karl und war geistig zurückgeblieben, mittlerweile musste er um die Fünfzig sein. Lukas kannte ihn von früher, als Kinder waren er und sein Schulfreund Peter ihm eine Zeitlang nachgelaufen … bis ihre Eltern es ihnen verboten hatten. Früher stand er immer an irgendwelchen Straßenkreuzungen und schaute den Autos nach. Lukas und Peter hatten ihn beschattet, hatten ihn durchs Dorf verfolgt, sich vor ihm versteckt, hatten sich diesen harmlosen und freundlichen Mann als große Gefahr ausgemalt, hatten versucht, seine dunklen Geheimnisse zu ergründen. Aber dummerweise gab es keine dunklen Geheimnisse und als ihre Eltern ihnen schließlich verboten, dem „Behinderten” nachzulaufen, da war die Sache sowieso schon langweilig geworden.
    Die Ampel schaltete auf Grün und Lukas wollte gerade anfahren, da winkte Karl ihm zu und machte mit der linken Hand eine Bewegung als würde er eine Hupe drücken. Lukas hupte und Karl freute sich. Er reckte beide Daumen in die Luft und grinste über beide Ohren.
    Zehn Minuten später fuhr Lukas eine Straße entlang, in der er früher eigentlich nie gewesen war. Nördlicher Dorfrand, gute Gegend. Einfamilienhäuser mit gepflegten Gärten, davor hölzerne Carports. Lukas fuhr langsam, die Straße hatte diese Entschleunigungshuppel. Er kam an einem Garten vorbei, in dem mehrere grün gestrichene Windmühlen standen. Obwohl kein Wind wehte, drehten sich die weißen Flügel.
    Im nächsten Garten stand eine Frau in engen, ausgewaschenen Jeans. Sie stand gebückt mit leicht gespreizten Beinen, die Gesäßtaschen ihrer Jeans sahen aus wie zwei Augen und zwischen ihren Schenkeln konnte man durchschauen. Neben ihr lag ein aufgerissener Plastiksack, aus dem schwarze Blumenerde quoll.
    Als Lukas näher kam, da richtete sich die Frau auf, wischte sich mit dem Unterarm die Stirn und drehte sich in Richtung des Motorgeräuschs. Es war Nadine. Lukas machte langsamer und kurbelte das Fenster herunter.
    „Hi Nadine, was machst du?”
    „Hallo Lukas … ein bisschen was im Garten.”
    „Bei dem Wetter? Ist doch alles nass.”
    In ihrem Blick lag etwas, das Lukas nicht einordnen konnte. Eine Art Nervosität … vielleicht sogar Angst.
    „Fahr jetzt bitte

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