Die Knochenfrau
ver- hi- ha- heiratet”, äffte sie ihn nach. Lukas überlegte, ob er hinausgehen und die Polizei rufen sollte. So wie diese Frau drauf war … aber dann müsste er wieder der Polizei etwas erklären.
„Das geht auch, wenn man verheiratet ist … DAS GEHT SOGAR NOCH BESSER, WENN MAN VERHEIRATET IST!” Und dann wieder leise: „Du kannst mich sogar ficken. Du kannst mich von hinten ficken, ich hab 'nen guten Arsch. Wenn du mich von hinten nimmst, dann siehst du mein beschissenes Gesicht nicht.”
Sie machte einen Schritt auf Lukas zu und wollte ihm zwischen die Beine fassen. Das war zu viel. Er packte ihren Arm, grub seine Finger in ihr seltsam weiches Fleisch, schob sie von sich weg und nahm ihr mit der anderen Hand das leere Glas ab. Sie brüllte ihn an, ging aber nicht auf ihn los.
„WAS DENKST DU DIR EIGENTLICH, DU VERSCHISSENER IDIOT! BEHANDELT MAN SO EINE LADY?”
Lukas antwortete nicht, nach einigen Sekunden ließ er sie los und nahm die Hände herunter. In ihrem Gesicht zeigte sich etwas, das Lukas als ein resigniertes Lächeln interpretierte.
„Zu meiner Zeit, da waren wir nicht so verklemmt. Warte mal, Kleiner, ich bin gleich wieder da. Mama braucht ihre Medizin … ihre gute, alte Medizin, ihre Mi- Ma- Medizin. Und wehe du bist nicht mehr da, wenn ich wiederkomme.”
Während sie das noch sagte, war sie schon schwankend und sich an allem festhaltend, was gerade in Reichweite war, unterwegs zu einer Tür neben der Treppe, die gerade Yvonne hochgegangen war. Sie kickte eine große Porzellanscherbe zur Seite, verlor ihren rechten Hausschuh, stieß die Tür auf und ging hinein. Lukas sah einen Ausschnitt einer altmodischen, hellblauen Kücheneinrichtung. Eine Spüle und darüber Hängeschränke mit eckigen Metallgriffen.
Die offene Tür im Auge behaltend zog sich Lukas zurück Richtung Flur. Wenn die Wahnsinnige gleich mit einem Messer aus der Küche gestürmt kam, dann hatte er Vorsprung. Aber sie kam nicht gestürmt, einige Minuten war es völlig still in dem alten Haus. Lukas warf einen schnellen Blick in den Flur. Er wolle sichergehen, dass da nicht irgendeine Tür war, die er vorhin übersehen hatte und aus der sie plötzlich kommen könnte. Er wartete weitere zwei Minuten, dann ging er nachsehen. Auf Zehenspitzen schlich er Richtung Küche, umging Scherben, Holzstücke und das auf dem Boden liegende Obst, und streckte dann in Zeitlupe seinen Kopf in den kleinen Raum.
Er hatte wirklich erwartet, sie würde ihn anspringen. Aber sie war weg, einfach verschwunden … nur wohin? Der schmale Raum hatte nur die eine Tür und das kleine Fenster war geschlossen. Sowieso hätte sie in ihrem Zustand nicht durch ein Fenster klettern können, ohne Lärm zu verursachen.
Lukas hörte sie, bevor er sie sah. Er hörte ihr leichtes, leicht röchelndes Atmen. Die Frau lag zusammengekrümmt auf einem dünnen Teppich unter dem Küchentisch. Lukas versicherte sich, dass er ihre Hände sehen konnte, kniete sich neben sie und sah ihr ins Gesicht. Ihr Atem ging gleichmäßig und solange sie sich nicht auf den Rücken drehte, würde sie auch nicht an ihrer Kotze ersticken … wenn sie sich denn überhaupt erbrechen musste. Lukas sah sie noch fast eine Minute an, dann war er sicher, dass sie wirklich schlief. Was für eine Scheiße! Das war sicher einmal eine begehrenswerte Frau gewesen … und sie war höchstens Anfang Vierzig. Was hatte sie so fertig gemacht? Dem Alkohol allein traute Lukas solche Zerstörungen nicht zu. Vielleicht eine Mischung aus Alkohol, Tabletten, harten Drogen, Einsamkeit, Dorfleben und den brutalsten Schlägen, die das Leben so bereithielt. Ohne darüber nachzudenken, streckte Lukas den Arm aus und streichelte der Frau über die zerfurchte Stirn. Sie fühlte sich kalt und rau an. Die schlafende Frau stöhnte leise auf und verzog den Mund. Vielleicht war es ja ein Lächeln.
*
„Jetzt hast du also meine Mutter kennengelernt.” Yvonne saß auf dem Boden, rauchte eine Zigarette und sah zu Lukas auf. Gerade war er die schmale Holztreppe hinauf geschlichen. Er hatte erwartet, dass sich Yvonne in irgendeinem Zimmer eingeschlossen hatte. Aber sie saß im Flur auf dem Boden und hatte alles mitangehört.
„Ja, hab ich. Ich glaube, deine Mutter braucht dringend Hilfe, wir sollten einen Krankenwagen rufen. Was zum Teufel hat die genommen?”
„Das weiß man bei ihr nie so genau. Sie macht sich ihre eigene Mischung.”
Yvonne blies Rauch durch die Nase und streckte die Beine aus, Lukas
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