Die Knochenkammer
dazu?«
Mamdouba durchlief seinen vierten Stimmungswechsel des Abends. Das Missfallen, das in Missachtung übergegangen und dann kurz Hysterie geworden war, wich jetzt Jammerei. »Das ist keine Geheimtreppe. Es gibt nur keinen Grund, warum jemand darüber Bescheid wissen sollte. Sie ist, äh, sie ist rudimentär.«
»Ich habe meinen Thesaurus auf dem Revier vergessen. Was heißt das?«
Mamdouba hatte den Sicherheitsdienst angerufen und in den riesigen Korridoren heulten jetzt die Sirenen.
»Rudimentär. Nutzlos, wie Ihr Blinddarm. Sie wurden vor einem Jahrhundert gebaut, als man diese Ecktürme errichtet hat. Seit die Aufzüge installiert wurden, sind die Treppen nicht mehr in Gebrauch. Sie sind eng, dunkel und gefährlich. Niemand benutzt sie.«
Jetzt sprach Mercer mit dem Leiter des Geiselkommandos: »Das ist es ja gerade. Wir wissen nicht, wer sie hat oder wo sie ist. Es ist nicht verfrüht. Sie schicken, verdammt noch mal, besser ein Team hierher, denn falls wir das Mädchen finden und es noch am Leben ist, brauche ich alle Hilfe, die ich kriegen kann. Sofort.«
Drei Wächter kamen ins Zimmer gerannt; ihr Anführer sah zu Mamdouba, um sich Informationen und Instruktionen zu holen.
»Die Taschenlampe. Werfen Sie sie her!«, sagte Mike.
»Tun Sie, was er sagt.« Mamdouba nickte.
Mercer nahm dem zweiten Aufseher ebenfalls die Taschenlampe aus der Hand, warf sie mir zu und nahm sich die dritte.
»Ich gehe nach oben, du nach unten«, sagte Mike zu Mercer. Ich wollte ihnen in das dunkle Treppenhaus folgen, aber Mike schrie mich an zurückzubleiben. »Du machst nur Ärger, Blondie! Bleib hier bei den Wächtern und beim Telefon! Der Chief of Detectives ist auf dem Weg hierher.«
Mamdouba fummelte auf dem Treppenabsatz an einigen Lichtschaltern herum. Sie klickten, funktionierten aber nicht.
In seinem Büro herrschte ein heilloses Durcheinander, als die Aufseher von allen Stationen auf seinen Anruf hin zusammengelaufen kamen. Derjenige, der der Chef zu sein schien, gab den Befehl aus, auszuschwärmen und jeden Winkel des Gebäudes nach einer kleinen dunkelhäutigen Frau mit schwarzen Haaren abzusuchen. Da die Aufseher keine Erlaubnis hatten, Waffen zu tragen, hielten die meisten von ihnen nur Taschenlampen in der Hand.
Innerhalb von Minuten waren drei Streifenwagen am Museum. Ein uniformierter Sergeant und drei Cops kamen als Erste in Mamdoubas Büro gerannt. »Hey, Al, was ist los?«
»Wisst ihr Bescheid über die Mordermittlungen, das Mädchen, das -«
»Chapmans Fall? Ich hab in der Zeitung darüber gelesen. Eine Leiche in einem Truck irgendwo in Jersey. Habt ihr den Kerl geschnappt? Wer wird vermisst?«
Ich erzählte ihnen in aller Kürze, was geschehen war, damit sie anfangen konnten. Der Sergeant schickte Mercer und Mike jeweils einen Mann hinterher, während er und sein Fahrer bei mir blieben.
»Wie sieht sie aus?«
Ungeduldig gab ich ihnen eine Beschreibung von Clem, damit sie sie per Funk an die anderen Beamten in und vor dem Museum durchgeben konnten.
»Name.«
Ich buchstabierte ihn, während der Fahrer Notizen machte.
»Seltsamer Name.«
»Inuit.«
»Was?«
»Eskimo.«
»Eine Suchmeldung an den Nordpol, Al.« Der Sergeant lachte, scheinbar ebenso wenig besorgt über die Situation wie zuvor Mamdouba.
Mike und ein junger Polizist kamen zurück ins Zimmer.
»Willst du dir nächsten Monat beim Compstat-Treffen eine Rüge einfangen, Paddy? Steh hier nicht rum und mach dumme Witze, während in deinem Revier die Mordrate um einen Fall steigt. Hol mir jeden Mann von Manhattan North, der zur Verfügung steht!«
»Jetzt machst du Witze. Es ist nur ein Museum.«
»Warst du schon mal oben im vierten Stock, Coop? Oder drüber, im Dachgeschoss?«
Ich schüttelte den Kopf, während Mike fortfuhr: »Wir werden alles auf den Kopf stellen. Du glaubst nicht, wie es dort oben aussieht. Man könnte einem Dutzend Leute Zimmer vermieten, und man würde nicht einmal merken, dass sie da sind. Oder tot sind. Dort sind Milliarden von Kammern und Spinden und Kisten. Wo ist Mercer? Ist jemand bei Mercer? Ruf ihn an, Coop!«
Ich wählte von Mamdoubas Telefon aus und erhielt seine VoiceMail. Er musste bereits im Kellergeschoss sein, wo die Handys nicht funktionierten. Ich versuchte Zimms Durchwahl, aber es hob niemand ab.
»Wissen Sie, wer noch im Keller ist?«, fragte ich Mamdouba.
»Bis vor einer Stunde waren noch ein paar Leute hier oben. Gaylord, Poste, Bellinger, Friedrichs. Aber es ist spät, und sie
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