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Die Knochenkammer

Titel: Die Knochenkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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und wütend.
    Es brach mir schier das Herz, ein Mädchen wie sie zu sehen, das ein Dach über dem Kopf hatte, einen Elternteil, der sich kümmerte, und das dennoch eindeutig auf einem selbstzerstörerischen Trip war. »Weißt du, wo ich letzte Nacht war? Ich stand neben der Leiche einer jungen Frau, die wahrscheinlich nicht viel älter war als du. Jemand hat sie umgebracht und in eine Kiste gesteckt und gehofft, dass man sie nie finden würde. Sie wird nie wieder nach Hause gehen können. Die Menschen, die sie lieben, werden sie nie wieder lebend zu Gesicht bekommen.«
    Jetzt blickte Angel mich an, um zu sehen, ob ich es ernst meinte. »Und gestern Nachmittag habe ich mir im Leichenschauhaus Obduktionsfotos eines anderen Mädchens angesehen, das wahrscheinlich von einem Kerl ermordet worden ist, den sie die Nacht zuvor in einem Klub kennen gelernt hat. Hast du das Wort Obduktion schon mal gehört? Weißt du, was es bedeutet?«
    »Sagen Sie ihr, was es ist, Ms. Cooper.« Ihre Mutter kam näher und stützte sich mit den Armen auf die Rückenlehne eines Stuhls. »Hör gut zu, Angel! Das passiert, wenn dich jemand umbringt. Nicht genug, dass du tot bist. Sie müssen dich aufschneiden und Stück für Stück auseinander nehmen. Dann nähen sie dich wieder zu, als wärst du eine Stoffpuppe.«
    Besser als meine große Spritze, dachte ich. Jetzt war Angel hellhörig geworden. Ihr Blick suchte wieder Vandomir, damit er sie von den beiden Frauen, die ihr heute das Leben so schwer machten, erlöste.
    »Was passiert jetzt mit Felix?«
    »Er bleibt im Gefängnis. Aber der Anklagepunkt ist ein anderer. Man nennt ihn Unzucht mit Minderjährigen.« Ich erklärte ihr, dass das Gesetz sie nicht für fähig hielt, in eine sexuelle Beziehung mit einem achtundvierzigjährigen Mann einzuwilligen, selbst wenn sie das getan hatte. Sie war minderjährig, und er würde bestraft werden, auch wenn die Strafen dafür weitaus geringer waren als für eine Vergewaltigung.
    »Laura wird eine neue Anklageschrift aufsetzen«, sagte ich zu Vandomir, »und Angel kann die eidesstattliche Erklärung unterschreiben. Können Sie die beiden zur Zeugenhilfsstelle hinunterbringen und sich darum kümmern, dass sie mit einer Sozialarbeiterin sprechen? Sie können’s beide gebrauchen.«
    Als ich zurück in mein Büro ging, stieß ich beinahe mit Ellen Gunsher zusammen, die gerade auf dem Weg in Pat McKinneys Suite war. Die beiden verbrachten ungewöhnlich viel Zeit hinter verschlossener Tür miteinander, was dem Büroklatsch über den unangemessenen Charakter ihres Verhältnisses Auftrieb gab. Falls Ellen so viel Supervision brauchte, wie McKinney ihr zu geben vorgab, musste sie noch dümmer sein, als sie bei den Meetings der Prozessabteilung in den seltenen Fällen, in denen sie den Mund öffnete, unter Beweis stellte.
    Gunshers Eintreffen verschaffte mir eine Atempause. Solange sie bei ihm war, würde McKinney nicht nach mir suchen, also hatte es keinen Zweck, an seine Tür zu klopfen.
    Ich griff zum Telefon und wählte auf meiner Privatleitung Jakes Nummer. Ich nahm mir vor, mich nicht zu vorwurfsvoll anzuhören. Sein Assistent, Perry Tabard, sagte mir, dass Jake gerade im Aufnahmestudio war. »Würden Sie ihm bitte sagen, dass er mich zurückrufen soll? Es ist wichtig.«
    »Soll ich ihm etwas ausrichten?«
    Es hatte keinen Zweck, ihm das Problem zu schildern. Ich brauchte Jakes Zusicherung, dass er mein Vertrauen nicht missbraucht hatte, und die wollte ich mir nicht über einen Mittelsmann holen.
    Noch während ich mit Perry sprach, meldete sich Laura über die Gegensprechanlage. Mike Chapman war am Apparat.
    »Hey, Coop, wie schnell kannst du deinen Hintern hier rauf zur Gerichtsmedizin schaffen?«
    »In einer halben Stunde. Ich muss nur Sarah den Terminplan für den Rest des Tages übergeben.« Meine Stellvertreterin und gute Freundin Sarah Brenner war vor einigen Wochen von einem sechsmonatigen Mutterschaftsurlaub zurückgekehrt. Unser Arbeitsstil war so ähnlich, dass ich mit ihr als Partnerin die vierzig Mitglieder zählende Abteilung leiten konnte. Mein Schreckenserlebnis mit den Schattenseiten des akademischen Betriebs an einem Elitecollege in Manhattan passierte kurz nach ihrer Entbindung, sodass ich nicht von ihrem Rat und Urteil profitieren konnte. Ich war froh, dass sie wieder da war.
    »Großartig. Wir treffen uns dann bei Dr. Kestenbaum.«
    »Hast du gestern Nacht noch etwas über die Tote in Erfahrung gebracht? Werden sie herausfinden können,

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