Die Knochentänzerin
gehörig danebengegangen. Das Schwert steckte in der Schulter des Bullen und wurde, als dieser sich brüllend herumwarf, dem maskierten Metzger aus der Hand gerissen. Falieros Mundwinkel senkten sich. Er verachtete Feigheit oder Unentschlossenheit, die zu solchen Ergebnissen führte. Der Stier war jetzt rasend, es gab keine Möglichkeit mehr, ihn auf elegante Weise zu töten. Den Schlachtern blieb nur ein Weg – wann immer sich eine Möglichkeit ergab, hackten sie auf das tobende Tier ein. Aus dem ästhetischen Akt des kunstvollen Tötens, den Faliero so sehr bewunderte, diese perfekte Demonstration der Macht über Leben und Tod war ein bösartiges, blutspritzendes, brüllendes Chaos geworden, das nur durch unkontrolliertes Hauen und Stechen zu lösen war, bis sich nichts mehr rührte. Es war schlicht armselig und entwürdigend – für beide, den Menschen und das Tier. Zum Höhepunkt dieser bizarren Vorstellung schleppte sich der Stier, der sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte, gespickt mit Beilen und Schwertern auf die Treppe von San Francesco delle Vigna. Dort brach er zusammen, und endlich gelang es einem der Männer, das blutige Handwerk zu erledigen. Auf den Stufen der Kirche enthauptete er den Bullen.
Faliero hatte genug gesehen. Er warf einen letzten Blick auf das Schlachtfest vor dem Gotteshaus, dann stemmte er sich aus seinem Sessel, kletterte vom Podest herab und verließ die Piazzetta. Schlecht gelaunt kämpfte er sich durch die Menschenmassen. Venedig glich einem Tollhaus. Es war, als würde der Karneval den Menschen jegliche Vernunft rauben. Biedere Kaufleute hüpften herum wie Irre, beklatscht von irgendwelchen Weibern, die sich hinter ihren Masken als Nobelfrauen wähnten.
Ursprünglich hatte Faliero den Weg zu seinem Palazzo eingeschlagen, vielleicht hielt Aluicha sich inzwischen dort auf. Doch der Weg wurde ihm von einem weiteren Schauspiel versperrt – einem Kampf zwischen einem Bären und einer Hundemeute. Als Faliero über die Rücken der Gaffer spähte, sah er gut zwei Dutzend Jagdhunde, die um den aufrecht stehenden Bären herumtobten. Zwei Hunde hatte er bereits getötet. Im Gegensatz zu der rasenden Meute, einem Chaos aus Beißen, Jaulen, Springen und Kläffen, strahlte der stehende Bär eine geradezu bewundernswerte Verachtung aus. Gezielt, beinahe konzentriert wirkten seine gewaltigen Prankenhiebe. Am Ende würde er trotzdem sterben. Es waren zu viele Hunde, die Überlebenden der Meute würden ihn Stück für Stück zerfleischen. Faliero spürte, wie er im Geiste bestätigend nickte. Ähnliches hatte er bei Menschen gesehen. Egal, wie groß oder mächtig einer war, ein aufgewiegelter Mob brachte am Ende selbst den Stärksten zu Fall. Wie viele Könige oder Herrscher hatte schon das Schicksal des Bären ereilt, der nun zum ersten Mal wankte und vor Wut und Schmerzen brüllte, dass selbst die rasende Hundemeute für einen Moment innehielt, bevor das Beißen, Reißen, Kläffen und Jaulen wieder losging. Hatte die Meute erst einmal Blut geleckt, gab es kein Halten mehr. Für Faliero war es ein Aufeinanderprallen von Gewalten, die ihm das Blut in den Adern gefrieren ließen. Es gab nichts Faszinierenderes, nichts, was mehr fesselte und gleichzeitig furchteinflößender war als diese Entfesselung der Kräfte, diesen blutrünstigen Strom, der alles mitriss, was sich ihm in den Weg stellte.
Als der Bär zum dritten Mal fiel, wandte Faliero sich ab. Im Gewirr der Gassen suchte er nach einem neuen Weg zu seinem Palazzo. Innerlich fluchte er, weil er, der hohe Herr Venedigs, sein nobles Schuhwerk im Gossendreck beschmutzen musste. Doch er wollte unter der Maske unerkannt bleiben, die Vorsicht hatte ihm verboten, seine Sänftenträger oder Ruderer zu ordern. Aluicha sollte unter keinen Umständen von einer der ihr treu ergebenen Dienerinnen eine Warnung erhalten, dass er im Anmarsch war. Sie sollte ahnungslos bleiben, damit er sie überraschen konnte. Bei was auch immer …
Als er sich seinem Palazzo näherte, rückte er die Möwenmaske noch einmal zurecht. Hinter dem Brunnen auf der Piazza blieb er stehen und spähte nach verdächtigen Anzeichen. Schaukelte ein unbekanntes Boot im Canal? Warteten in der Nähe gelangweilte Sänftenträger? Schnaubte oder stampfte ein fremdes Kutschpferd? Er konnte nichts Verdächtiges erkennen, lediglich die überall herumziehenden Maskierten, begleitet von Musikanten und Fahrenden, trieben auch hier ihr närrisches Fastnachtsspiel.
Faliero schlug den
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