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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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wortlos.
    »Was willst du mir eigentlich sagen?«
    »Zweierlei. Erstens, Dandolo fährt natürlich nicht allein, sondern mit Gefolge. Das heißt, ich werde mit nach Prag reisen.«
    »Und zweitens?«
    »Du hast die Hure in Glas gesehen.« Faliero strich über ihr Rabenhaar und starrte auf die Spinne, die über ihm im Deckenbalken ihren Faden spann. »Du weißt, was dir blüht, wenn du mich betrügst.«
    Sie schlang ihre Beine um ihn und lächelte: »Wie einfallslos. Zweimal dieselbe Strafe?«

32
    Eine schicksalhafte Begegnung bringt William seinem Traum näher
    W as wünscht man sich im Leben? Glück, Liebe und Reichtum in jungen Jahren? Sicherheit, Gesundheit und den Rückblick auf ein erfülltes Leben im Alter?
    Nicht William. Es war tatsächlich so: Die Entscheidung, wohin wir aufbrachen, traf er weder, weil er eines jener Ziele, die normale Menschen anstreben, im Auge hatte, noch befragte er die Sterne, Gott oder gar eine Wahrsagerin. Bei der Ortswahl – von vorneherein war klar, dass es sich nur um eine weitere Station handeln würde – galt nur zweierlei: Knochen und noch einmal Knochen. Dabei entschied William sich – aus Gründen, die er mir vorenthielt – gegen die christlichen Märtyrerskelette in den Katakomben Roms für elftausend Jungfrauengebeine, die angeblich in Prag lagen. Und ich? Ich trottete ihm nach, wie ein Schaf, die meiste Zeit tatsächlich froh darüber, dem Klosterleben auf Icolmkill entronnen zu sein – und Gott dem Herrn dankbar, dass er mich, trotz aller Strapazen und Unbilden, bisher vor schlimmeren Dingen wie schwerer Krankheit bewahrt hatte.
    Dann trafen wir tatsächlich eine Wahrsagerin. Irgendwo auf der Handelsstraße zwischen Nürnberg und der Königsstadt Neupilsen humpelte ein altes Weib am Wegrand entlang, eine Art Handkarren hinter sich herziehend, auf dem sich schwankend und ständig vom Herabstürzen bedroht allerlei Eigentümlichkeiten türmten. William, der sofort ein Geschäft witterte, blickte über die Schulter zurück, als wir sie schon überholt hatten. Er blieb stehen und sprach zu ihr: »Ehrwürdige Mutter, erlaubt Ihr mir eine Frage, in aller Bescheidenheit?«
    Ein milchweises Augenpaar richtete sich ins Nichts zwischen William und mir. Schwarze Borsten bedeckten ein spitzes Kinn und wucherten aus der Haut über den schmalen Lippen. Der blinde Blick hatte etwas Gespenstisches. »Bin keine Nonne«, murmelte sie, »also auch keine ehrwürdige Mutter.« Williams gewinnendstem Lächeln zum Trotz setzte sie nun ihren Weg fort.
    »Verzeiht.« William war nicht bereit, rasch aufzugeben. Während er neben ihr herlief, deutete er auf den Handkarren. »Ich dachte nur, bestimmt seid Ihr Händlerin und wollt vielleicht etwas verkaufen?«
    »Was denn?«
    »Nun, ich darf mich zunächst vorstellen. Mein Name ist William der Erste, auf Reisen mit meiner Gemahlin.«
    »Wohin?«
    »Nach Prag. Ihr müsst wissen, ich bin ein bedeutender Reliquienhändler mit Beziehungen über alle Grenzen, sogar bis zu den Heiden im Morgenland.«
    Sie blieb wieder stehen und lauschte. »Bedeutender Händler. Ohne Wagen oder Diener oder sonst was. Wo sind deine Waren?«
    William beugte sich überrascht vor, als wolle er ihre stumpfen Augen prüfen. »Meine Waren … äh … die sind schon … in Prag.«
    Zwei einsame Zähne schimmerten erstaunlich weiß in ihrem grinsenden Mund. »Aha. Und was willst du jetzt von mir?«
    »Ich … nun … ich dachte …« Williams übliche Eloquenz schien verloren. Er stotterte: »Ich dachte … möglicherweise habt ihr …«
    »Was?«, fragte die Alte.
    Mitleidig betrachtete ich ihre Aufmachung. Als hätte nichts mehr auf ihren Karren gepasst, trug sie mindestens drei Röcke übereinander, ebenso wie sich unter einer erdfarbenen, zerrissenen Jacke noch zwei weitere abzeichneten. Ihr Haar war grau und zerfranst. Nicht minder bemitleidenswert war der Handkarren. Die Räder rahmten vom Rostfraß gezackte Eisenbänder ein, man musste wohl seine Schienbeine davor in Acht nehmen. Morsche Brettchen gaben ein lächerliches Gestell für die sich auftürmende Habe, aus was auch immer diese bestehen mochte. Alles war in mottenzerfressene Decken und Tücher gewickelt, zusammengebunden mit auffasernden Schnüren.
    Williams Lächeln wirkte inzwischen gequält. »Nun, es hätte ja sein können, dass Ihr Reliquien feilbietet.«
    »Reliquien?«
    »Ihr wisst schon. Knochen von Heiligen. Je heiliger, desto besser.«
    Die Mundwinkel der Alten sanken herab. »Knochen? Du suchst

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