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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Kragen hoch und überquerte die Piazza. Vor der Tür seines eigenen Hauses hob er kurz die Maske, damit man ihm öffnete. Giacomo, der bullige Torwächter, der ihn um Haupteslänge überragte, machte aus irgendeinem Grund einen angespannten Eindruck. Faliero hatte ein feines Gespür für die Schwingungen, die Verunsicherung oder Angst in einem Menschen auslösen. »Gibt es was Neues?«, fragte er den Riesen, doch dieser schüttelte nur den rasierten Schädel. Faliero fühlte sich dabei an eine jener pendelnden Eisenkugeln erinnert, mit denen man abbruchreifes Mauerwerk niederreißt. Was hatte das Blinzeln in den kleinen, tückischen Augen des Wächters zu bedeuten? Gab es etwas zu verheimlichen? Er wusste, dass Giacomo den Bullen auf der Piazzetta San Francesca sicherlich mit bloßen Händen das Genick hätte brechen können. Fest stand aber auch, dass er heimlich Aluicha anhimmelte. Dies war lächerlich, wie Faliero empfand. Ein Ungeheuer, mit Armen wie Baumstämmen und Händen wie Steinplatten, mit Gesichtszügen wie aus grobem Fels gehauen, verehrte Aluicha, seinen zart gemeißelten Engel aus Milch und Rosen. Wenngleich er immer mehr den Eindruck gewann, dass Herz und Seele dieses Mädchens, dessen Schönheit er so sehr verehrte, einen Vergleich, was Härte betraf, nicht scheuen mussten.
    »Gibt es etwas, Giacomo?«, hakte er nach, doch der Torwächter blickte an ihm vorbei ins Leere und schüttelte den Kopf.
    »Ist Aluicha im Palazzo?«
    Ein massiger Arm hob sich und deutete nach drinnen. »Ja, Herr.«
    Faliero ließ ihn stehen und ging ins Haus. Während er den Flur durchschritt und einen flüchtigen Blick in den großen Raum mit dem Muränenbecken warf, kam die Erinnerung an jenen Tag zurück, als er seine Hure mit Oradini und dem Jungen erwischte. Er biss sich auf die Lippen, blieb dann vor ihrem Zimmer stehen und lauschte. Kein Laut drang zu ihm. Mit einem Ruck riss er die Tür auf und stürmte hinein. Sie saß auf dem Bett, einen seidenen Umhang übergeworfen, die Wangen gerötet. Nun verzogen sich ihre Mundwinkel spöttisch, und sie klatschte in die Hände.
    »
Bravo, bravissimo!
« Mein wilder Stier. Du weißt, was mir gefällt.« Sie klopfte neben sich auf das Bett. »Komm her zu mir.«
    Faliero spähte misstrauisch zum offenen Fenster, vor dem sich der Vorhang bauschte. »Du bist nicht mehr in der Stadt?«
    Ihr Lächeln wurde noch spöttischer. »Nein. Ich bin hier.«
    »Warum bist du so früh zurückgekommen?«
    Ihre roten Lippen zogen sich zu einem Kinderschmollmund zusammen. »Ich finde es langweilig, wenn grobe Kerle mit Beilen Stiere umbringen.«
    »Warum ist das Fenster offen?«
    Sie fächelte mit den Fingern. »Siehst du nicht meine roten Wangen? Mir ist heiß.«
    »Das kann verschiedene Gründe haben.«
    Ihre Augen wurden schmal. »Was willst du damit sagen?«
    »Nichts«, erwiderte Faliero.
    »Nichts? Dann komm.« Sie streckte die Hand aus. Ihr Lächeln war dabei so verführerisch, dass er dem Versprechen, das ihm innewohnte, nicht widerstehen konnte. Sie zog ihn aufs Bett.
    »Im Strom deiner Augen schwimmt ein dunkler böser Hai«, gurrte sie, öffnete den Umhang und stöhnte zufrieden, als seine faltigen Hände grob nach ihren milchweißen Brüsten griffen.

    Faliero war eingeschlafen. Als er wieder aufwachte, blickte er in Aluichas schwarze Augen, die ihn musterten. Normalerweise war er in der Lage, in der Seele seines Gegenübers zu lesen. Was lag darin? Neugierde, Unruhe, Begeisterung, Schuld oder Abneigung? Doch was bedeutete Aluichas Blick, der über sein Gesicht strich, als sei es eine Landschaft, die man von einem Aussichtspunkt aus betrachtet? Der Ausdruck ihrer Augen war gleichermaßen unbeteiligt und wie ein dunkler Strudel – so als blicke man in einen Abgrund ohne Boden oder einen Nachthimmel ohne Wolken oder Sterne.
    »In zwei Tagen sind die Festlichkeiten vorüber.« Er sprach es aus, als handle es sich bei diesen Feiern um etwas Verachtenswertes.
    Aluicha räkelte sich. Ihr »Ja« klang wie Schmeicheln.
    »Dandolo fährt dann nach Prag zum römischen König. Es werden noch andere Herrscher zugegen sein. Es geht um Frankreich und England und um Ungarn.«
    »Solche Einzelheiten langweilen mich.«
    »Einzelheiten?«, erwiderte Faliero spöttisch. »Dir die Einzelheiten darzulegen würde Tage dauern. Fragt sich, ob du das überhaupt verstehen würdest.«
    »Ja, ja.« Nun war es Aluicha, die spottete: »Das dumme Weibchen. Gut für das Bett und zum Herzeigen.«
    Faliero grinste nun

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