Die Knochentänzerin
nach. »Du hast den Schädel irgendwo ausgebuddelt. Liegt dort noch mehr herum? Es ist nämlich so: Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass in der Nähe Prags die Knochen von elftausend heiligen Jungfrauen begraben liegen. Könnte das nicht dieser Ort sein?«
Cosmas’ Augen flogen weit auf. »Heiliger Jesus! Elftausend Jungfrauen?«
»Das kannst du mir glauben. Es handelt sich um die Jungfrauen der heiligen Ursula, falls du davon gehört hast. Deren Knochen zu finden ist der größte Traum jedes Reliquienhändlers.«
»Selbstverständlich hab ich von denen gehört!« Cosmas warf sich in die Brust, so dass sofort klar war, dass er überhaupt nichts wusste. »Jeder Reliquienhändler, der etwas auf sich hält, träumt natürlich von nichts anderem, als diese Knochen zu finden. Und selbstverständlich liegen an jenem Ort die Gebeine dieser Jungfrauen. Hab ich das noch nicht erwähnt?«
»Du hattest keine Ahnung von den Jungfrauen, bevor ich dir davon erzählt habe«, korrigierte ihn William.
»Doch! Von Anfang an wusste ich, das können nur die Kölner Jungfrauen sein. Wenn du behauptest, ich habe keine Ahnung von Knochen, dann hast du schlechte Ohren.«
William seufzte: »Lass uns nicht streiten. Ich schlage dir einen Handel vor.«
Cosmas entblößte den Gaumen und stocherte mit demselben Finger zwischen seinen Zähnen herum, der zuvor den Hautfetzen vom Schädel gezogen hatte. Dabei blickte er misstrauisch. Ein weiterer Donner rollte heran und schüttelte die Scheune, dass ich Angst hatte, sie würde über unseren Köpfen zusammenbrechen.
»Einen Handel?« Cosmas’ Hand sank herab. »Welcher Art?«
»Nun, es ist doch so. Offensichtlich weißt du, wo die Knochen liegen.«
»Richtig. Aber ich werde es dir nicht sagen.«
»Vielleicht doch. Lass mich zu Ende reden. Also: Du behauptest, du kennst den Ort, an dem die Gebeine der elftausend Jungfrauen der heiligen Ursula vergraben sind. Allerdings bist du – verzeih mir, wenn ich es so unverblümt sage – ein miserabler Reliquienhändler. Du kannst keinen Knabenschädel von einem Frauenkopf unterscheiden, ich befürchte sogar, du würdest, wenn es darauf ankommt, Arme und Beine verwechseln«
»Niemals!«
»Außerdem hättest du für keinen einzigen Knochen ein Dokument vorzuweisen, das Auskunft darüber gibt, um welche Reliquie es sich handelt.«
»Das nicht …«
»Fest steht«, fuhr William unbeirrt fort, »es könnte nichts schaden, wenn du jemanden hättest, der dir mit Rat und Tat zur Seite steht. Und dafür sorgt, dass die richtigen Zeugnisse vorhanden sind.«
»Ja, aber …«
»Mit anderen Worten: Du brauchst einen Partner. Besser zwei.« William legte einen Arm um mich. »Mich. Und Cailun.«
»Einen Augenblick«, warf ich ein, doch William wollte von einem Einwand meinerseits nichts wissen.
»Der Handel kann nur von Vorteil für dich sein. Du musst nichts weiter tun, als mir zu zeigen, wo die Jungfrauengebeine liegen. Dafür helfen wir dir beim Ausgraben, Reinigen und Schmücken der Knochen. Cailun ist eine erfahrene Schreiberin, sie fertigt die passenden Dokumente an.« Er griff nach meinem Daumen und hielt Cosmas den Ring unter die Nase. »Wir haben sogar ein Siegel, dessen Echtheit über jeden Zweifel erhaben ist. Den Erlös der verkauften Reliquien teilen wir durch drei. Wir werden reich sein. – Also, was sagst du?« William hielt Cosmas die Hand hin. »Schlag ein. Dann sind wir uns einig.«
Ich sah, wie es hinter Cosmas’ Stirn arbeitete. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Ich will die Hälfte.«
William stieß ein hämisches Lachen aus. »Die Hälfte? Wofür? Nur dafür, dass du uns die Knochen zeigst? Ohne uns kannst du doch gar nichts damit anfangen!«
»Die Hälfte«, beharrte Cosmas. »Denn es ist so: Ohne
mich
könnt
ihr
nichts anfangen!«
»Unsinn«, knurrte William. »Ohne Dokumente sind deine Knochen so gut wie gar nichts wert.«
»Und ohne meine Beziehungen erst recht nicht. Ihr seid fremd hier. Wenn ihr versucht, in Prag etwas zu verkaufen, schlägt euch die Konkurrenz den Schädel ein. Ohne jemanden mit Beziehungen verkauft ihr gar nichts. Im Gegenteil – man wird euch alles wegnehmen, einschließlich des Lebens.«
»Welcher Art sind denn deine Beziehungen, wenn ich fragen darf?«, wollte William wissen.
Cosmas schien plötzlich zu wachsen. Er legte eine Hand auf die Brust und prahlte: »Der Kaiser! Mit keinem Geringeren gebe ich mich ab als mit dem Kaiser!«
William zog die Brauen hoch. »Du meinst, der
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