Die Knochentänzerin
Gestalt lächelte fein. »Erinnert Ihr Euch – damals gab es ein Unwetter. Alle Schaulustigen der Hinrichtung flohen, und ich konnte mich befreien und fliehen.«
»Ich werde …!«
»Wartet. Hört mich an. Seid versichert – ich verfolge dasselbe Ziel wie Ihr. Deshalb bin ich hier.«
»Niemals …!«, begann Faliero, doch erneut wurde er unterbrochen.
»Es geht um den Dogen, Pietro Dandolo.«
Faliero rang immer noch vergeblich um Fassung. Zu absurd war es, dass dieser tot geglaubte Verräter vor ihm stand und tat, als wären sie die besten Freunde. »Dandolo?«, konnte er nur stottern.
»Ja. Glaubt mir, ich werde Euch zu dem verhelfen, was Ihr wollt. Wenn Ihr mir helft.«
»Was will ich denn?«
Das Lächeln wurde breiter. »Ihr wollt den Tod des Dogen.«
»Woher … das ist Unsinn …!«
Der Mann hob die Hände. »Ihr müsst Euch nicht verstellen. Lasst uns offen reden. Es war die größte Niederlage Eures Lebens, dass Dandolo gewählt wurde und nicht Ihr. Ich werde ihn töten. So oder so. Wenn Ihr mir dabei helft, wird es einfach sein und schnell geschehen. Schon morgen.«
Faliero überlegte fieberhaft. Die Gedanken rasten in seinem Kopf. Wieder gelang ihm nicht mehr als ein Wort: »Warum …?«
»Gut. Ich will es Euch erklären. Ich bin ein Ritter in Diensten des englischen Königs. Damals wie heute. Es herrscht Krieg, und es besteht die Gefahr, dass Dandolo sich einmischt – für die falsche Partei.«
»Für Frankreich«, murmelte Faliero.
»Richtig. Deshalb lautet mein Auftrag, den Dogen zu töten, damit ein Mann dieses Amt erhält, der die richtige Seite vertritt – und glaubt mir, dies ist auch die Seite des gerechten Gottes. Ich schlage Euch einen Handel vor. Wenn Ihr annehmt, wird es nur zu Eurem Besten sein. Euer Traum wird sich erfüllen.«
Langsam begann Faliero, zu verstehen. »Ihr wollt Dandolo beseitigen, um den Krieg zu gewinnen? Doch warum seid Ihr Euch so sicher, dass er die Franzosen unterstützen wird? Vielleicht sieht er ja einen Vorteil, wenn England gewinnt.«
»Nein. Dandolo hat beschlossen, Frankreich zu helfen. Das weiß ich.«
»Ihr wisst mehr als ich«, spottete Faliero.
»Dann ist es eben so.«
»Woher aber wollt Ihr wissen, auf welcher Seite ich stünde – wenn es denn so käme?«
»Das gehört zum Handel. Ihr gebt mir Euer Wort darauf.«
»Und wenn ich Euch betrüge?«
Anstatt etwas zu erwidern, lächelte der Engländer fein. Doch sein Schweigen sagte genug. Die beiden Männer standen sich abwartend gegenüber. Faliero wusste immer noch nicht, was er denken sollte. Zwar war es richtig, dass Dandolo mehr und mehr die Franzosen favorisierte, aber woher wusste dies der Engländer? Andererseits hatte er sich in der Vergangenheit selbst schon oft des venezianischen Geheimdienstes bedient, und somit machte er sich nichts vor. Es gab nichts, was man
nicht
herausfinden konnte, selbst wenn es sich um die intimsten Gedanken eines Menschen handelte. Er beschloss, sich zumindest anzuhören, was der Engländer ihm zu sagen hatte. Also knurrte er: »Wenn ich richtig verstanden habe, dann wollt Ihr nicht mehr und nicht weniger, als dass ich das Leben meines eigenen Dogen an Euch verrate. Wie einst Judas Jesus auf dem Ölberg mit einem Kuss verriet.«
»Keine Sorge, ich werde ihn erkennen. Ihr müsst ihn nicht küssen.«
»Spart Euch Eure Scherze. Erklärt mir lieber, warum ausgerechnet hier, in Prag. Warum habt Ihr nicht Venedig oder einen anderen Ort gewählt?«
»Es gibt keinen geeigneteren Ort.«
Faliero verstand mit einem Mal. Es war unglaublich, dass der Engländer das gleiche Spiel trieb wie damals. Er schüttelte den Kopf: »Euer Attentatsversuch in Venedig scheiterte. Es gelang Euch nicht, einen Keil zwischen die Serenissima und Böhmen zu treiben.«
»Zunächst schon. Doch Ihr habt recht. Letztlich schlug der Plan fehl. Doch diesmal wird es gelingen.«
Faliero musste insgeheim dem Mut des Engländers Respekt zollen. Andererseits grenzte es an Frechheit. Gerade ihn, Marino Faliero, wollte er zum Komplizen machen – ihn, der ihn gefangen und zum Tode verurteilt hatte. Ein kalter Lufthauch wehte durch den dunklen Gang. Faliero spürte das Gitter im Rücken, und erneut sträubten sich seine Nackenhaare. »Ich sollte Euch ans Messer liefern.«
»Es steht Euch frei. Ihr könnt tun und lassen, was Ihr wollt.«
Faliero löste die Hand vom Messergriff und straffte sich. »Also: Was genau wollt Ihr von mir?«
Der Engländer erklärte es ihm …
37
Der tiuvel schuof
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