Die Knochentänzerin

weiß nicht genau, warum.«
    »Weil er fromm war?«, schlug William vor und erntete dafür dröhnendes Gelächter von Cosmas’ bestem Freund, den ich im Stillen wegen seines zerklüfteten Gesichts Boleslav
den Gepflügten
nannte.
    »Boleslav den Rothaarigen, seinerseits Sohn von Boleslav dem Frommen jedenfalls«, fuhr Cosmas fort, »ereilte dasselbe Schicksal wie dem Namensgeber dieses Hauses. Er wurde geblendet. Aber das ist eine andere Geschichte.«
    Indes zwinkerte Boleslav der Gepflügte mir zu, schob William und mich zu einem freien Tisch und bellte einen Befehl in Richtung der Triefäugigen, die zunächst missmutig dreinblickte, dann aber die Hände in die Hüften stemmte und heranwatschelte. Das Busentuch hatte sie abgelegt und William schien beeindruckt, sein Blick versank in jenem Tal, als wollte er nie mehr auftauchen. Erst mein Ellbogen brachte seine Augen dorthin zurück, wo sie hingehörten.
    »Essen? Trinken, vor dem Spiel?« Boleslavs Lächeln grub noch tiefere Furchen in sein Gesicht.
    »Welches Spiel?« Böses ahnend, wandte ich mich zunächst an William, der einen gedankenverlorenen Eindruck machte, und dann an Cosmas. Dieser grinste vielsagend, ohne meine Frage zu beantworten. Dann bestellte er bei der drallen Wirtin Wildbret und Bier für alle.
    Ich packte William am Arm und wiederholte: »Welches Spiel? Sag mir sofort, was ihr vorhabt!«
    William zuckte mit der Schulter. »Ein Spiel eben. Kein Grund zur Aufregung.«
    »Mit welchem Einsatz?«
    »Gleich erklär ich’s dir.« Cosmas bleckte die Zähne zu einem Totenlächeln.
    Währenddessen schnippte Boleslav mit den Fingern. Daraufhin erhoben sich zwei Gestalten von der Haupttafel und ließen sich wortlos an unserem Tisch nieder. Der eine, ein hagerer Jude, schüttelte aus seinem gelben Spitzhut ein halbes Dutzend Dreideln. Der gelbe Judenkreis auf seinem Rock war verblichen. Helle Augen stachen aus dem bärtigen Gesicht in die Runde, bevor er den Blick auf die Würfel senkte. Das müde Hundegesicht mit den hängenden Backen seines Begleiters wirkte beleidigt, so als habe ihn das Schicksal um jeden je gehegten Wunsch betrogen. Auf den zweiten Blick verbarg sich hinter seiner Mimik etwas Lauerndes wie der Schatten eines Wolfsgesichts zwischen den Bäumen.
    Boleslav deutete auf ihn: »Das ist Emil.«
    Emil grunzte etwas Unverständliches.
    Boleslav stellte nun den Juden vor: »Aaron. Der Name bedeutet: der Erleuchtete.«
    Die Wirtin kam zurück und stellte Bierhumpen auf den Tisch. Wieder blieb ihr triefäugiges Lächeln an William hängen, ihr wogender Busen streifte seine Schulter, als sie den Krug vor ihn hinstellte.
    Die Männer knackten mit den Fingern und rückten ihre Stühle zurecht. Cosmas griff nach den Dreideln, prüfte sie und schüttelte den Kopf. Dann langte er in seinen Rock, klimperte seine eigenen Würfel zwischen die Bierhumpen und konstatierte: »Wir spielen mit meinen Würfeln. Die sind nämlich ungezinkt.«
    Der Jude drehte einen Dreidel und ließ ihn über den Tisch tanzen. »Willst du damit behaupten, meine sind gezinkt? Sie sind aus echtem Elfenbein geschnitzt. Alle Augen sind richtig angebracht. Wenn du mich als Lügner bezeichnest, so verpass ich dir eine Tracht Prügel, bei Abraham, dem Vater aller Juden.«
    Cosmas hob beschwichtigend die Hände. »Natürlich sind deine Würfel in Ordnung. Ich mag nur keine Dreideln. Überzeug dich davon, dass meine Würfel richtig rollen, ich hab sie von einem Bischof, der sie sogar mit Weihwasser gegen Falschspiel gesegnet hat. Und dann lass uns damit spielen.«
    »Glücksspiel ist Sünde!«, platzte ich mit meinem Klosterwissen heraus, das Äbtissin Matilda uns Nonnen eingebläut hatte. »Kein anderer als der Gehörnte hat das Würfelspiel erfunden!«
    »Nicht doch, Kindchen«, murmelte Boleslav. »Hier wird lediglich zur Erholung und nicht um Gewinn gespielt. Somit ist alles in bester Ordnung.«
    »Zur Erholung? Ihr macht Euch über mich lustig.«
    »Aber nein«, grinste Cosmas. »Siehst du irgendwelches Gold oder Silber auf dem Tisch, um das wir spielen könnten?«
    Mein Blick schweifte drohend vom einen zum anderen. Überall begegnete mir harmloses Lächeln, voller Freundlichkeit und Offenheit.
    »Zurück zu den Würfeln«, erinnerte der Jude und wandte sich an Cosmas. »Es mag stimmen oder nicht, dass deine Würfel geweiht sind, doch das ist nichts im Vergleich zu meinen Dreideln.«
    »Jetzt bin ich gespannt.«
    »Kannst du auch sein.« Aaron hielt Cosmas einen Würfel unter die