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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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stand, schaukelten. Und während das Haus ächzte, schwitzte und stöhnte, witterte ich die schwarze Galle in Cosmas’ düsterer Melancholie. Der tastete über das zerfressene Holz der Tür, stemmte sich schließlich dagegen, bis sie kreischend aufschwang, und forderte uns mit einer übertriebenen Geste auf, ihm durch die Tür zu folgen. Diese sah für mich aus wie das Tor zur Hölle.
    Ein Schlund tat sich auf, verschluckte uns und spuckte Schattengeburten aus dem Halbdunkel. Sofort vermutete ich Pferdefüße, Teufelsschweife und Gehörnte. Doch Cosmas, dessen Arm einen Halbkreis durch das wabernde Gemisch aus dickem Zwielicht und Ausdünstungen pflügte, erklärte, es handle sich bei dem Volk hauptsächlich um treue Gesellen, mit denen es sich trefflich Geschäfte machen ließe, und außerdem um Verwandtschaft. Irgendwie sei ja jeder Böhme mit dem anderen verwandt.
    »Du hast nicht zufällig auch den Leibhaftigen in deiner Verwandtschaft?«, raunte William und sprach mir damit aus der Seele.
    Cosmas lachte gönnerhaft und brachte die gesamte lärmende Gesellschaft zum Verstummen, indem er rief: »Hier bin ich, und seht, ich habe Freunde mitgebracht!«
    Bei genauerem Betrachten hockte Cosmas’ böhmische Verwandtschaft um einen Tisch, den sogar eine Art verdrecktes Tuch bedeckte, das man allerdings, zum Glück, ob der Vielzahl von Schüsseln, Tellern und Bierhumpen kaum sah. Bärtige Gestalten nickten uns flüchtig zu, nur über mich strich der eine oder andere ausgiebigere Blick. Doch insgesamt war man mehr mit Essen und Trinken beschäftigt, als sich um Cosmas’ begeisterte Ankündigung zu kümmern. So zerfleischte ein Dickwanst mit speckiger Lederweste, dessen Bart Aufschluss über das gesamte Angebot der Wirtschaft gab, genüsslich weiter sein Wildbret, andere soffen Bier, und lediglich ein baumlanger Kerl mit einem Gesicht wie ein gepflügter Acker schnäuzte sich geräuschvoll ins Tischtuch, erhob sich dann ächzend und kam mit ausgebreiteten Armen, die den gesamten Raum zu umspannen schienen, auf uns zu. Während er den Reliquienhändler freudig zerquetschte, dröhnte sein Bass Unverständliches, das auch nach Cosmas’ Übersetzung noch nicht allzu viel Sinn ergab: »Gott verrät nicht, und Schwein frisst nicht auf«, lautete die mit verschwörerischem Grinsen vorgetragene und ein paar Mal wiederholte Botschaft. Dabei hieben sich die beiden mit solcher Begeisterung abwechselnd auf die Schultern, dass ich unwillkürlich hustete.
    »Warum hat er uns hierhergebracht?«, flüsterte ich William zu. Cosmas, immer noch in der Umklammerung des Riesen verschwunden, lachte dröhnend, und auch aus dem Mund des anderen polterte Gelächter.
    »Es geht um den Schädel dieses Heiligen«, flüsterte William zurück. »Wie hieß der doch gleich wieder?«
    »Veit.«
    »Genau. Wir haben nichts mehr, um ihn zu schmücken, schon gar nicht, wenn wir die Reliquie an einen König verkaufen wollen. Auch die letzte Kuhhaut, auf der du hättest schreiben können, ist verbrannt. Da Cosmas sich ein wenig schuldig fühlt …«
    »Ein wenig …?«
    »… hat er versprochen, sich um alles zu kümmern.«
    »Hier?« Ich blickte mich demonstrativ um. Die Deckenbalken waren schwarz, wie geteert vom Fackelruß, die zerfressene Haut einer kapitalen Wildsau zierte eine Wand, eine andere war mit Flecken übersäht, als bestünde die liebste Tätigkeit der Gäste darin, Bierhumpen dagegenzuwerfen. Von der Kochstelle her stank es verbrannt und ranzig. Die Möbel, schief aus grobem Holz gezimmert, stammten aus der Werkstatt eines wenig begabten Tischlers. Nun tauchte hinter dem Tresen ein Weib auf, das William einen triefäugigen Blick zuwarf und dabei aufreizend am Busentuch zupfte.
    William, das Weib im Blick, zuckte mit der Schulter. »Cosmas kennt sich hier aus. Er wird schon wissen, was er tut.«
    »Weißt du das gewiss?«
    Bevor William antworten konnte, kam Cosmas daher, einen Arm um den Riesen geschlungen wie um einen Baumstamm.
    »Darf ich vorstellen: mein bester Freund und der von allen geschätzte Wirt: Boleslav.«
    Brüchiges Latein holperte aus dessen Mund: »Nicht der Grausame und auch nicht der Rothaarige.«
    »Und schon gar nicht der Fromme«, kicherte Cosmas. Als er den fragenden Blick sah, den William mit mir tauschte, erklärte er: »Alles böhmische Herzöge, außer diesem Boleslav hier. Boleslav der Grausame ermordete seinen Bruder und war auch sonst kein Kind von Traurigkeit. Dessen Sohn erhielt den Beinamen
der Fromme
, ich

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