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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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»Der Einsatz ist doch klar. Und wir spielen nach folgenden Regeln …«

38
    Sankt Veit (Kopf) gegen Sankt Markus (Mantel) und außerdem zwei Küsse
    G ar nichts ist klar!«, fauchte ich William an. Unter den erstaunten Blicken der Tischgenossen geriet ich in Fahrt: »Du lässt dich von einem böhmischen Knochengräber, der unsere gesamte Habe verbrannt hat, in diese Spelunke führen, die schon halb im Sumpf abgesoffen ist! Schau dich doch um! Du träumst von goldenen Reliquien in erhabenen Kathedralen – jetzt hockst du am Tisch mit drei böhmischen Gaunern und einem Juden und willst mit denen auch noch ein Spiel betreiben, das der Leibhaftige erfunden hat! Um was denn? Um unsere Seelen? Etwas anderes haben wir ja nicht mehr, was du verspielen könntest …«
    »Ganz so ist es nicht«, grinste der Böhme mit dem müden Hundegesicht und ließ seine Zunge über die Lippen gleiten. »Mir würde da schon noch etwas anderes einfallen …«
    Boleslav blies seinen mächtigen Brustkorb auf, dass man Angst bekam, er würde gleich platzen. »Ich geb dir gleich böhmische Gauner …!«
    Auch der Jude zeigte sich über meine Rede wenig erheitert: »Weib!«, schimpfte er. »Halt dein vorlautes Mundwerk in Zaum. Von dir lass ich mich nicht als Gauner beschimpfen! Es gibt genug Juden in Prag, die es leid sind, immer, überall und für alles zum Sündenbock gemacht zu werden …«
    »Na ja«, schaltete Cosmas sich ein. »Das kommt ja nicht von ungefähr. Schließlich habt ihr Jesus Christus ans Kreuz genagelt, und es steht fest, dass dein Volk die Brunnen vergiftet und somit den Schwarzen Tod ins Land geholt hat. Außerdem finde ich es unerträglich, dass ihr Juden immer so tut, als täte euch die ganze Welt unrecht …«
    Aaron riss im Aufspringen den Tisch und die Bank um, auf der er und Cosmas gesessen hatten. Aber noch bevor er diesem an die Gurgel konnte, donnerte Boleslav: »Ruhe! Sofort aufhören! In meiner Schenke gibt es keine Schlägereien, es sei denn, ich beginne sie!« Er schob Aaron und Cosmas auseinander, als handle es sich um Strohpuppen, stellte Tisch und Bank wieder auf und knurrte: »Alle wieder hinsetzen! Sonst schmeiß ich euch schneller raus, als ihr bis drei zählen könnt. Dalisha, bring neues Bier!« Zwischen Boleslavs Augen stand eine Zornfalte, die mir galt: »Und du, rothaarige Hexe, sitz still und wage es nicht noch einmal, irgendjemanden hier zu beleidigen. Sonst setz ich dich ins Moor, zwischen all die Teufel und Geister, damit sie dir beim Versinken helfen!«
    Zu furchterregend war Boleslavs Auftritt, als dass ich Widerspruch gewagt hätte – oder gar ein weiteres Wort des Zorns. Mir blieb nichts anderes übrig, als neben William auf der Bank zu hocken und der Dinge zu harren, die da kommen würden.
    »Also!«, rief Cosmas fröhlich und rieb sich die Hände. »Lasst mich, damit Klarheit herrscht, noch einmal die Einsätze benennen, um die es geht.« Er wartete, bis alle, außer mir, zustimmend genickt hatten, dann erklärte er: »Es geht um …«
    Bestens vertraut inzwischen mit seinen theatralischen Pausen, warteten alle geduldig, bis er fortfuhr: »Es geht zum einen um die gesegnete Kopfreliquie des heiligen Veit, der als Kind den Märtyrertod erlitt und nun im Prager Königsdom einen würdigen Schrein erhalten soll – welche Partei auch immer dem König letztlich die wertvolle Gabe überreichen darf …« Cosmas holte von irgendwoher den hastig gezimmerten Holzkasten, in dem der Schädel ruhte. Er öffnete den Deckel und gewährte der Runde einen kurzen Blick auf den Totenkopf, der auf dem blanken Holz lag. »Und jetzt zeigt ihr noch euren Einsatz.«
    Die Angesprochenen, Boleslav, Emil und der Jude, nickten eifrig. Dann kramte Emil aus einem ledernen Beutel ein Gewand hervor und hielt es hoch. Der Stoff bestand aus einem schwärzlichen Blau, war silbergesäumt und wies eindeutig Brandspuren auf. Der Jude ergriff das Wort: »Diese einzigartige Reliquie ist um einiges wertvoller als euer toter Kinderkopf. Trotzdem ist sie unser gleichwertiger Einsatz für das Würfelspiel.«
    »Ein Fetzen angesengter Stoff?«, fragte ich ungläubig.
    »Nun ja, und hier ist meinetwegen auch noch ein wenig Schmuck dazu.« Emil griff in sein Gewand und warf etwas auf den Tisch, das wie Gold und Juwelen glänzte. »Das gibt es als Dreingabe – solltet ihr gewinnen.«
    »Das Zeug ist echt? Und der Mantel auch?« William konnte herrlich zweifelnd blicken.
    »Lasst mich ein wenig ausholen, damit ihr die wahre

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