Die Knochentänzerin
fuhr sich über die Backe, hüstelte verlegen und wandte sich an den Juden: »Derjenige, der zuerst die drei Hunde würfelt, ist also der Gewinner und erhält die jeweilige Reliquie, nebst Dokument.«
»So ist es«, antwortete Aaron. »Beide Parteien würfeln immer abwechselnd.« Er hielt plötzlich zwei Strohhalme in der Hand. »Wer den längeren zieht, beginnt.«
»Du«, nickte Cosmas mir zu.
Nicht gar so laut wie zuvor wagte ich einen weiteren Einspruch: »Ich werde mich nicht an diesem Teufelsspiel beteiligen.«
»Wirst du sehr wohl«, knurrte William mich an wie ein böser Hund. »Sonst sind die zu dritt und wir nur zu zweit. Das würde unsere Chancen erheblich schmälern.«
Widerstrebend zog ich einen Strohhalm – natürlich den kürzeren. Grinsend ließ Boleslav die drei Würfel in seiner gewaltigen Pranke verschwinden, schüttelte die Faust und warf die drei geschnitzten Knochen mit den Tränen Jesu über die rauhe Tischplatte.
»Das war nichts«, erklärte William schadenfroh.
Alle hielten die Luft an, als seine Würfel fielen.
»Eins, eins, vier.« Emil stieß den angehaltenen Atem aus. »Knapp daneben ist auch vorbei. Jetzt ich.«
»Weit übers Ziel hinausgeschossen«, kommentierte William Emils Wurf, der insgesamt zwölf Augen ergab.
Nun war ich an der Reihe. Die Knochen fühlten sich rauh und heiß an. Ich schloss die Augen und ließ sie rollen.
»Viel zu viel«, lachte Emil. Du musst drei Hunde würfeln. Das da sind drei Bären.«
Jetzt war der Jude dran.
»Vier, zwo, eins«, kommentierte Cosmas erleichtert, fing die Würfel ein und gab seine Begabung in der Mathematik zum Besten: »Macht summa summarum sieben, was aber viel zu viel ist, denn
tres canes
bedeutet eins und eins und eins, macht alles zusammen drei, nicht mehr und nicht weniger.«
»Schwätz nicht, würfle«, knurrte Boleslav.
Dalisha schleppte bereits die vierte oder fünfte Runde Bier herbei, doch die vermaledeiten drei Hunde wollten und wollten nicht fallen. Cosmas’ Augen klebten inzwischen wie zwei Glaskugeln in seinem Gesicht, und Williams Zunge stolperte beim Sprechen, als hätte sie ein holpriges Stück Weg zu bewältigen.
Auch ich spürte langsam die Wirkung des Biers, obwohl ich durch die Fastenzeiten im Klosterleben von klein auf an die Wirkung von Getränken gewöhnt war, die die Sinne vernebelten. »Jesus, unser Herr«, höhnte ich, »hat wohl etwas dagegen, dass wir in diesem Spiel, das eine Erfindung des Teufels ist, seine drei Tränen auf einmal zu sehen bekommen.«
»Du bist dran«, lallte Emil, ohne auf meinen Spott einzugehen, und schob mir die Würfel zu.
Ich nahm sie und kicherte. Die Wirtin kam mit einem neuen Bierkrug, beugte sich so über den Tisch, dass William einen tiefen Einblick erhielt, und zwinkerte ihm neckisch zu. Was bildete sich dieses froschäugige Weibsbild ein? Ich warf zunächst die Würfel, dann ergriff ich mit beiden Händen Williams Kopf, zog ihn zu mir herüber und küsste ihn lange auf den Mund. Dabei bemerkte ich nicht, wie alle zuerst auf den Tisch und dann zu mir starrten. William schmeckte köstlich nach Bier, nach Wärme und nach noch etwas anderem. Also küsste ich ihn gleich wieder. Dann warf ich der Wirtin einen triumphierenden Blick zu. Der gehört ganz allein mir, bedeutete dieser Blick. Schließlich gelang es William, sich zu befreien. Er schnappte nach Luft, als hätte ich ihn nicht geküsst, sondern allzu lang unter Wasser gedrückt.
»Tres canes«
, flüsterte Cosmas ehrfürchtig.
»Gewonnen!«, schrie William. »Wir haben gewonnen! Her mit dem Mantel und dem Schmuck!«
»Das zählt nicht.« Der Jude wies anklagend auf die Würfel, die ich zum Ende des Tisches gerollt hatte. »Sie wollte gar nicht werfen, sie hat sie einfach fallen lassen!«
»Genau!« Emils sonst so beleidigte Miene veränderte sich schlagartig. Seine Augen wurden zu Schlitzen, und sein Mund spuckte Galle: »Die verfluchte Dirne wollte gar nicht würfeln. Sie hat die verdammten Würfel weggelegt. Die Tränen Christi! Dass ich nicht lache! Bestimmt sind die Würfel aus den Knochen einer räudigen Hündin geschnitzt, und die Augen sind Fliegenkacke.«
William richtete sich drohend auf: »So sprichst du nicht von meinem Eheweib! Es war ein faires Würfelspiel, ihr habt verloren, und wir haben gewonnen.«
»Nein! Die Hure hat falsch gespielt! Ich hab es genau gesehen!«
Ich sah, wie sich vielerlei Hände auf Wanderschaft begaben, namentlich die der Verlierer zu den Gürteln, wo die Messer
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