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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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ebenfalls die Stufen empor – Francesco Alighieri, Nachkomme des berühmten Dichters Dante Alighieri und ältestes Ratsmitglied, neben ihm Cassio di Lauro, der Jüngste im Großen Rat. Ihre Aufgabe bestand in der Krönung des Dogen. Faliero blieb stehen, di Lauro verbeugte sich, trat hinter ihn auf die nächsthöhere Stufe und setzte ihm die seidene Kappe des Dogen auf. Währenddessen tönte Alighieris Stimme über den Innenhof:
    »Accipe coronanam ductatus l’enetiarum!«
Auch er trat nun hinter Faliero und setzte ihm den aus Goldbrokat und mit Perlen und Diamanten besetzten
corno ducale
aufs Haupt.
    Wieder brandete Jubel auf. Faliero verneigte sich vor seinem Volk und stieg mit der Würde seines neuen Amtes die Stufen hinab. Zwei Ratsmitglieder in Purpurgewändern geleiteten ihn zur bereitstehenden Sänfte. Im strömenden Regen stieg er hinein, setzte sich und nahm von einem festlich gewandeten Diener den Beutel mit Golddukaten in Empfang. Vier Mohren in Gold hoben die Sänfte und trugen sie unter dem Jubel der Menschen über die Piazza San Marco. Faliero griff in den Beutel und streute die Dukaten ins Volk. Die Summe war vom Gesetz vorgeschrieben. Mindestens hundert Golddukaten sollten es sein, höchstens fünfhundert.
    Faliero zeigte sich großzügig.

    Dann war alles vorüber.
    Das Zimmer im Dogenpalast war leer bis auf das goldüberdachte Bett, das Faliero hatte heranschaffen lassen. Aluicha hatte ihn mit noch größerer Leidenschaft zu immer neuen Spielchen angespornt. Jetzt fühlte Faliero sich erschöpft und ausgelaugt. Dieses Weibsstück saugt die letzte Kraft aus mir, spukte es in seinem Kopf, während sein Blick müde über die Deckenfresken schweifte. Er fühlte sich von den Figuren beobachtet, ein ganzes Heer von Engeln, Heiligen und Rittern sah auf ihn herab, als wüssten sie, wie er in dieses Amt gelangt war.
    »Dandolos Geist geht hier noch um«, flüsterte er kaum hörbar.
    »Unsinn. Lass dich bloß nicht von deinem Gewissen plagen. Das ist etwas für Schwache, für Versager. So einer bist du nicht.« Aluichas Finger malten Kreise auf seine Brust. »Sag mir, wie du es gemacht hast.«
    »Was?«
    »Dandolo. Du bist ihn losgeworden. Wer weiß, vielleicht hätte er noch zwanzig Jahre gelebt. Dann wären wir jetzt nicht hier. Wie hast du es vollbracht?«
    Faliero brummte etwas Unverständliches.
    »Du kennst die Gerüchte. Die einen sagen, ein Spion habe Feuer gelegt, ihn damit aus der Kirche gelockt und dann erstochen. Andere behaupten, es handelte sich um böhmisches Gesindel.«
    »Das Verhältnis zu Prag ist jedenfalls empfindlich gestört.« Faliero schob Aluichas Finger weg. Er war müde und wollte schlafen.
    Doch sie ließ nicht locker: »Ich weiß, dass du dahintersteckst. Wer sonst? Du bist ein Genie. Also sag schon. Ist es dein Werk?«
    Wieder brummte er nur. Er schloss die Augen. Sofort erschien das Bild Dandolos, wie er dalag, mit gebrochenem Blick – und auch Sinead, die Irin, mit offenem Mund, als wollte sie schreien.
    Aluicha hauchte Küsse auf seine Brust. »Der Spion, von dem man spricht. Das war einer deiner Männer?«
    »Nein. Er war Engländer.«
    »Engländer? Wie bist du zu ihm gekommen?«
    »Er kam zu mir.«
    »Interessant. Und weiter?«
    »Nichts weiter.«
    Aluichas Lippen strichen über ihn. »Bitte. Ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr. Du bist jetzt Doge und ich bin deine Dogaressa. Ich bewundere dich über alle Maßen. Bitte sag mir, wie du es vollbracht hast.«
    »Nein.«
    Sie schmollte. »Du misstraust mir?«
    »Unsinn. Es gibt aber Dinge, die behält ein Mann besser für sich.«
    »Es gibt Dinge, die ein Mann nur mit seinem Weib teilt, mit sonst niemandem«, schnurrte Aluicha. Sie beugte sich über ihn zu einem Tischchen, auf dem Wein stand. Sie hob den Kelch an seine Lippen und flüsterte: »Trink den Wein. Das Blut der Erde. Jetzt bist du der Doge von Venedig.«
    Faliero spürte, wie der süße Wein seine Kehle hinabrann. Aluichas nackte Haut war wie ein kühles glattes Tuch an seinem Leib. Ihre Küsse liebkosten ihn. Sein Widerstand erlahmte.
    »Also gut«, seufzte er schließlich. Und er prahlte damit, wie er alles eingefädelt hatte.

    Nach der ersten Nacht als Herr im Dogenpalast lag Faliero im Morgengrauen wach. Die Zeremonie des Vortages, den Jubel der Menge, all dies hatte er wie im Rausch erlebt. Hinter seinen Schläfen pochte ein hartnäckiger Schmerz, und in seinem Mund war ein schaler Geschmack. Auch tauchte immer wieder das Bild der Irin vor seinem

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