Die Knochentänzerin
geräuschvoll und schien schließlich den Wein zu zerkauen. »Sizilien. Natürlich! Man schmeckt die heiße Erde. Ein edler Tropfen. Verrätst du mir den Händler?«
»Bei aller Freundschaft. Nein!« Faliero stieß Oradini jovial in die Seite. »Sauf dich meinetwegen mit meinem Wein besinnungslos. Aber mein Händler bleibt mein Geheimnis.«
Aus einem Grund, den nur Oradini allein kannte, vollzog sich nun seine Verwandlung. Eben hatte er noch gedienert und geradezu kriecherisch seine Demut zur Schau gestellt. Nun straffte er seinen gebeugten Körper, hob sein Kinn und verlor alles Unterwürfige. Hatte er sich vorher gewunden wie eine der Muränen im Aquarium, so konnte die folgende Frage nicht direkter gestellt sein: »Du willst Dandolo so schnell wie möglich wieder loswerden. Weiß du schon wie?«
Faliero nippte am Wein und betrachtete sein Gegenüber aus schmalen Augen. Schließlich stellte er das Glas hart ab und antwortete: »Nenn mir zuerst dein Motiv.«
Oradini hob die Brauen. »Wofür?«
»Für deine Loyalität – mir gegenüber.«
»Dafür brauchst du Gründe? Marino, wie lange kennen wir uns?«
»Jeder kennt jeden in Venedig seit hundert Jahren.«
»Ich bin dein Freund seit …«
»Auch Freundschaft braucht einen Grund.«
»Nein … ich meine, ich bin dir ohne Hintergedanken ergeben.«
»Ach was, Guglielmo. Machen wir uns nichts vor. Keiner von uns beiden ist selbstlos genug für eine Freundschaft, die keinen Vorteil in sich birgt. Warum also hast du dich auf meine Seite geschlagen und nicht auf die von Dandolo?
Er
ist der Doge und hält damit die Macht in Händen.«
»Ich sage doch: Ich bin dein treuester Freund. Genügt dir das nicht?«
Faliero lächelte wissend. »Natürlich ehrt mich deine Freundschaft, ebenso wie deine Beteuerung, du seist bar jeglicher Interessen darüber hinaus. Allein, mein Vertrauen in dich wäre noch größer, könnte ich den einen oder anderen Grund erkennen, warum du sie so hegst und pflegst wie ein junges Pflänzlein. Verstehst du nicht, es würde mich beruhigen.«
Oradini spielte den Beleidigten. »Dein Misstrauen betrübt mich zutiefst. Aber nun gut.« Wortreich erklärte er: »Du willst praktischere Gründe als Freundschaft, warum ich nicht in Dandolos Lager wechsle. Es ist doch ganz einfach. Die wahre Macht liegt nicht beim Dogen. Hat ihn nicht sein eigener Freund, Petrarca, bereits als Sklaven der Republik bezeichnet? Gleich zum Amtsantritt wurden ihm die
promissione
vorgelesen.« Oradini zählte auf: »Der Doge darf nur mit der Erlaubnis des Rats heiraten …«
»Dandolo ist schon verheiratet …«
»Das weiß ich, aber es geht ums Prinzip … Jedenfalls macht er keine Politik, sondern repräsentiert nur, er kann keine Volksversammlung einberufen und muss seine Prunkgewänder selbst bezahlen. Nicht einmal an ihn gerichtete Briefe darf er ohne den Dogenberater lesen …«
»Ja, ja, schon gut.« Faliero winkte ungeduldig ab. »Du musst mir keinen Vortrag über die Rechte und Pflichten des Dogen halten, glaub mir, darüber weiß ich bestens Bescheid.«
»Umso verwunderlicher, dass du nichts mehr ersehnst, als selbst das Dogenamt zu bekleiden.«
Faliero nahm sein Glas und schaukelte zunächst den Wein, als gelte es, die Antwort sorgfältig zu überlegen. Dann fixierten seine grauen Augen Oradini, und er blaffte: »Wenn ich einmal Doge bin, ändere ich alles. Verstehst du – mit mir wird der Doge wieder ein wahrer Herrscher sein. Mächtig wie ein Kaiser!«
Oradini grinste verschlagen. »Recht so! Willst du noch immer wissen, warum ich die Fahne für dich schwenke und nicht für Dandolo? Du hast die Macht in Venedig, und so wird es immer bleiben, solange du lebst.«
Faliero starrte Oradini nieder. Dann nickte er zufrieden. »So ist es recht. Solange du weißt, wer die Zügel in der Hand hält, bleibt unsere Freundschaft bestehen. Das musst du dir merken: In Wirklichkeit gibt es keinen über mir.«
Oradini hatte seine übliche Demutshaltung wieder eingenommen. Er hielt den Blick gesenkt und schien seine goldberingten Finger zu betrachten, während er, wie beiläufig, bemerkte: »Spielt die Dirne Felicia in deinen Plänen auch eine Rolle?«
Faliero schnaubte verächtlich. »Natürlich nicht. Auch wenn jeder in meiner Umgebung meinen Zielen dient. Aber selbstverständlich werde ich sie nicht einweihen. Wer wäre so wahnsinnig, einer Frau seine Pläne zu verraten, und noch dazu einer Hure? Ich benutze sie, das ist alles.«
»Ah, deshalb hast du sie also
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