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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Dorf, dessen Name uns die einzige Menschenseele nannte, die wir trafen, und der länger schien, als der staubige Weg, der durch das halbe Dutzend dreckiger Hütten führte: Druim na Droichaid. Immerhin wölbte sich eine Brücke über ein Rinnsal und erklärte den Namen des Kaffs: Erhöhung an der Brücke. Das Dorf war nun menschenleer, nur ein paar Hühner pickten im Staub, was William zu der Bemerkung verleitete: »Wenn die Bewohner schon alle schlafen, gehen sie jedenfalls nicht mit den Hühnern zu Bett.«
    »Sieh mal. Ein Kloster.« Ich deutete auf das steinerne Gebäude, das hinter Bäumen halb verdeckt auf dem Hügel thronte.
    »Fürwahr«, wiederholte William endlich wieder einmal jenes Wort, das er bei unserem Kennenlernen nur allzu gern gebraucht hatte.
    »Wir müssen gar nicht mehr bis zur Burg, wir drehen die Knochen den hiesigen Mönchen an.«
    William schüttelte den Kopf und leitete damit unser zweites Streitgespräch ein. »Sagte nicht der Abt von Inbhir Nis, der Lord von Urquhart Castle interessiere sich für Reliquien?«
    »Mag schon sein«, erwiderte ich schnippisch. »Doch hege ich Zweifel an der Glaubwürdigkeit dieses ehrwürdigen Bettelbruders. Ich glaube mich zu erinnern, dass er erst mir Gewalt antun wollte, dann seine Mitbrüder mit Mistgabeln und Knüppeln auf dich hetzte, um sich schließlich unsere Reliquien anzueignen. Das Kloster hier zu erwähnen hat er allerdings vergessen.«
    »Dazu ist er nicht mehr gekommen, denn gleich darauf branntest du sein eigenes Kloster nieder.«
    »Damit du nicht mit der Mistgabel aufgespießt wirst!«
    »Ist ja schon gut«, lenkte William zunächst ein, um sofort wieder auf seinem Standpunkt zu beharren: »Trotzdem ist der Lord von Urquhart Castle derjenige, der Reliquien kauft.«
    »Selbst wenn der Bettelabt diesbezüglich wahr gesprochen hätte, ändert es nichts an der Tatsache, dass die Mönche dort oben möglicherweise auch heilige Knochen für ihr Kloster kaufen wollen.«
    William streifte das Kloster mit einem abfälligen Blick. »In dieser armseligen Behausung? Dort oben fehlen die Mittel für derart wertvolle Reliquien. Das ist doch sonnenklar. Wir würden nur unsere Zeit vergeuden.«
    »Sind wir etwa in Eile?«
    »Nein. Aber ich habe keine Lust auf einen weiteren Bettelorden.«
    »Wir müssten nur hinaufgehen und fragen.«
    »Wir gehen nicht hinauf. Wir gehen zum Urquhart Castle.«
    So stritten wir eine Weile auf der Brücke, unter der das Wasser des Enrick geduldig dahinfloss. Schließlich verlor ich die Geduld, hieß William einen sturen Ochsen und stapfte los, damit wir die verfluchte Burg wenigstens noch vor Einbruch der Nacht erreichen konnten.

    Nun standen wir auf einem Hügel oberhalb der Burg und blickten auf das Rund der Mauern, die Turm, Palas und weitere Steinbauten umschlossen. Der Nebel, der über dem Loch waberte, kroch näher. Ich zog fröstelnd die Schultern hoch.
    »Es sieht nicht sehr einladend aus.«
    William schulterte wortlos den Knochensack und marschierte los. Ich folgte ihm bis zum Tor, das geschlossen war. Wir spähten nach oben, doch schon vom Hügel aus hatten wir auf den Zinnen keine Wachen gesehen. Ein schwerer Eisenring hing am Tor. William hob ihn und schlug ihn gegen das Holz. Es krachte und hallte gespenstisch. Nichts geschah.
    »Niemand zu Hause«, erklärte ich spöttisch. Beinahe hätte ich hinzugefügt: Hätten wir bei den Mönchen in Druim na Droichaid um ein Nachtlager gebeten, stünden wir jetzt nicht hier, mit der Nacht im Anmarsch und ohne ein Dach über dem Kopf.
    »Doch«, erwiderte William, und jetzt hörte auch ich die schlurfenden Schritte, die sich hinter dem Tor näherten. Ein Ächzen erklang, das vom Hochschieben des Riegels herrühren mochte oder von dem, der ihn hochschob. Das Tor schwang nach innen auf. Ein würdiger alter Mann mit weißer Haarpracht, auf einen Stock gestützt, beäugte uns freundlich.
    »Gäste! Willkommen!« Die Worte fauchten aus seinem Mund wie Wind, der in die Glut fährt. Trotzdem hatte der alte Mann etwas, das mich wärmte.
    »Seid Ihr … der Lord …«‚ stotterte William verdattert. Das wallende Silberhaar, der Kilt mit dem dunkelgrünen, von roten Rechtecken eingerahmten Tartan, das rollende Gälisch des Alten und sein ganzes Auftreten schienen ihn mächtig zu beeindrucken.
    Der Alte lachte. Es klang wie ein Sturm über dem Meer. »Lord William Urchurdan hält sich im Palas auf. Schätzt euch glücklich, wenn ihr gekommen seid, um ihn zu besuchen. Als Sheriff von

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