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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Serenissima, also mich, des Verrats bezichtigen – und mir auch noch niedere Gründe unterstellen. Die Welt wird glauben, ich hätte die Ehre Venedigs für Geld verkauft.«
    Falieros stumme Zustimmung bestand aus einer unterwürfigen Verbeugung.
    Pietro Dandolo marschierte eine Weile wortlos auf und ab. Er wirkte schockiert. Immer wieder blieb er stehen, öffnete den Mund, um etwas zu sagen, blieb dann aber doch stumm und ging weiter. Schließlich schien er eine Entscheidung getroffen zu haben.
    »Hört zu. Ich möchte, dass Ihr Euch um die Verräter kümmert.«
    Faliero verbeugte sich erneut.
    »Doch eine Frage habe ich noch. Was hat diese Hure mit der Verschwörung zu schaffen?«
    Faliero musste seinen grimmigen Blick nicht mimen. »Was alle diese Weiber wollen. Sie hat Oradini betört wie eine Schlange, ich bin mir sogar sicher, dass sie die Anstifterin ist. Er sollte der Doge nach Euch werden – und sie die Dogaressa. Das war ihr einziges, hinterhältiges Ziel.«
    »Eine Hure als Dogaressa.« Dandolos Stimme war eisig. »Ich gebe Euch alle Vollmachten. Bestraft sie mit unerbittlicher, gnadenloser Härte.«
    Zum dritten Mal verbeugte sich Faliero.
    »An welchen Ort habt Ihr sie bringen lassen?«
    Faliero machte eine vage Bewegung nach links. »In die
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    »Sehr gut.« Dandolo nickte mit grimmiger Zufriedenheit. Das Gefängnis gehörte, über eine Brücke zugängig, zum Dogenpalast. Es befand sich unter dem bleigedeckten Dach des Palazzos. Die Hitze dort war unerträglich. Die Zellen waren ausschließlich für Hochverräter bestimmt.
    »Ich danke Euch«, sagte der Doge. »Ihr habt eine schreckliche Verschwörung im Keim erstickt. Das werde ich Euch nie vergessen. Ihr könnt jetzt gehen.«
    Faliero verneigte sich ein letztes Mal. Dann verließ er rasch den Raum. Als der Diener die Tür geschlossen hatte, blieb er auf dem Gang stehen. Für einen Moment wusste er nicht, welches seiner Gefühle vorherrschte: die Wut über den Verrat seiner Hure, das Bedauern oder die Genugtuung darüber, dass er sie jetzt töten musste; die Selbstgefälligkeit über seine eigene Klugheit, die ihm schneller als ein Wimpernschlag Oradinis Untergang gezeigt hatte – oder die Enttäuschung darüber, dass er seiner Rache den Aufstieg zum Dogen hatte opfern müssen.
    Als er den Palazzo verließ und auf den sonnenbeschienenen Markusplatz hinaustrat, knurrte er zu sich: »Verflucht, ich muss mir eine neue Hure suchen.«

18
    William der Dritte, sein Opfer für den Drachen und das Ungeheuer selbst
    U rquhart Castle ragte hinaus auf den See, als hielte es Ausschau nach dem Drachen, der – so behaupteten alle – darin hauste. Abendnebel lauerten wie Gespenster über dem Loch, die Szenerie wie der Inbegriff der Düsternis. Wir hatten die Nacht im Wald verbracht, es war kalt gewesen, und William hatte vorgeschlagen, eng zusammenzurücken, um uns gegenseitig zu wärmen. Zunächst lehnte ich dankend ab, doch die Kälte kroch in alle meine Glieder, und schließlich schob ich meinen Rücken immer näher zu ihm. So war es wirklich wärmer, und ich ließ es sogar zu, dass er seine Arme um mich schlang. Es diente ja dem Zweck, nicht zu erfrieren.
    Mit dem ersten Tageslicht folgten wir dem Nis bis zum See, um endlich hierherzugelangen. Die meiste Zeit hatten wir damit verbracht, uns über zweierlei zu streiten.
    »Dein Haar ist zwar recht kurz, nachdem wir die Hälfte abgeschnitten haben, doch du musst es trotzdem verstecken«, versuchte William mir ein ums andere Mal einzureden.
    Doch ich widersprach hartnäckig: »Du willst Josef und Maria und den heiligen Donnan von Eigg diesmal an einen Lord verkaufen und nicht an ein Kloster.«
    »Was hat das mit deinem Feuerschopf zu tun?«, schimpfte William.
    Ich blieb geduldig: »Ein Mädchen in einem Männerkloster, das mit Reliquien handelt, ist unmöglich. Nicht aber eine Frau als Begleiterin eines Knochenhändlers, wenn es darum geht, einen Märtyrer und heilige Hände an einen Lord zu verkaufen. Meine Reize werden ihn dazu veranlassen, auf das Geschäft einzugehen.«
    Welche Reize?, lag William wohl auf der Zunge, doch stattdessen wiederholte er nur immer wieder starrsinnig, ich solle mir sein altes Hemd wieder über meine Haarpracht stülpen. So gelangten wir schließlich zum Loch und stellten zu unserer Überraschung fest, dass es auch dort ein Kloster gab. Davon hatte der Abt von Inbhir Nis nichts erzählt, oder wusste er es etwa nicht? Jedenfalls gelangten wir an den Ufern von Loch Nis in ein

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