Die Knochentänzerin
Doge hätte einen abscheulichen Betrug begangen, nur um sich zu bereichern.«
»So ist es.«
»Was wäre die Folge gewesen?«
»Das Ende des Dogen.«
»Es heißt: des ehrwürdigen Dogen«, wies Faliero ihn diesmal mit aufgesetzter Nachsicht zurecht.
»Verzeiht … des ehrwürdigen Dogen, natürlich.«
»Was ich nicht ganz verstehe …« Faliero blickte zur mit Fresken bemalten Decke, das Kinn auf einen Daumen gestützt. »… wie hätte die Welt denn von diesem abscheulichen Komplott erfahren?«
Flabanicos Hand zitterte leicht, als sie auf Oradini wies. »Durch ihn. Es war geplant, dass Signore Oradini die Verschwörung aufdeckt, indem er die Schuld dem ehrwürdigen Dogen in die Schuhe schiebt.«
»Er lügt!«, schrie Oradini. Aus seinem Gesicht war alle Blässe gewichen. Krebsrot vor Zorn bäumte er sich erneut auf und stemmte sich wie rasend gegen die Ketten. Als er sich nicht beruhigen wollte, Flabanico brüllend einen Lügner und noch weitaus schlimmere Dinge nannte, gab Faliero dem Büttel einen Wink. Dieser trat vor, hob seinen Stock und schlug damit so lange auf Oradini ein, bis dieser wimmernd zurücksank. Als endlich Ruhe herrschte, nahm Faliero die Vernehmung wieder auf, als sei nichts gewesen.
»Flabanico, du schwörst, dass dies die Wahrheit ist?«
»Bei allem, was mir heilig ist.«
Das wird wenig bis gar nichts sein, dachte Faliero, ohne es auszusprechen. Auch untersagte er sich ein siegesbewusstes Grinsen. Stattdessen wandte er sich an den
avvocato
Oradinis, dem er vor der Verhandlung eindringlich nahegelegt hatte, seine Zukunft in Venedig nicht für einen Hochverräter aufs Spiel zu setzen. Der Anwalt hatte verstanden. Faliero forderte ihn nun auf: »Pietro Musetti, ich erteile Euch das Wort. Was habt Ihr zur Verteidigung Eures Mandanten vorzutragen?«
Musetti, ein schmächtiger Mann mit Hakennase und schmalen Lippen, erhob sich umständlich. Seine Knopfaugen schweiften kurz durch die Runde, dann schüttelte er bedauernd den Kopf. »Leider nicht viel. Sogar ich als
avvocato
des Angeklagten bin erschüttert über die Schwere der Tat. Die Beweislage ist eindeutig und erdrückend. Zur Verteidigung des Senators Oradini gibt es eigentlich nur eins zu sagen: Er war völlig verblendet durch die Verführungskünste der Konkubine Felicia. Deshalb bleibt mir nichts, als im Namen meines Mandanten um ein gnädiges Urteil zu bitten.«
Während Oradini, der wieder angefangen hatte zu toben, von den Wachen niedergehalten wurde, dankte Faliero dem Anwalt, wandte sich dann um und ließ seinen Blick auf Felicia verweilen.
Diese hatte, bis auf ihren Ausbruch zu Beginn der Verhandlung, die ganze Zeit wachsbleich, aber mit unberührter Miene Falieros und Flabanicos Ausführungen gelauscht. Sie spürte die Blicke der Ratsmitglieder, die beinahe ständig über sie hinwegstreiften – verstohlen, da keiner der Männer offen seine Gier nach der schönen Hure zeigen wollte. Beinahe wirkte sie noch verführerischer als sonst, in ihrer marmorgleichen Erstarrung. Doch nun, als sie spürte, wie Faliero sie ansah, hob sie das Kinn und füllte die entstandene Stille mit folgenden Worten: »Marino Faliero, unter all den Säuen unter Gottes Himmel bist du das allergrößte Schwein. Der Gestank, den du verbreitest, übertrifft sogar noch den Hauch der Pest. Dein Kopf ist gefüllt mit nichts als Pisse und Kacke. Dein Herz ist eine Brutstätte der Fäulnis und Verwesung. Grauen überkommt mich bei dem Gedanken daran, dass du mich je berührt hast. Nicht einmal ein Wurm oder eine Made, die sich an einer Leiche gütlich tut, ist niederer als du.«
Faliero hörte der Litanei freundlich zu, als wären ihre Worte ein Lob auf seine Menschlichkeit und Güte. Während unter den Ratsmitgliedern ob dieser Unverschämtheit Tumult ausbrach, als wollten sie sich gleich auf die Hure stürzen, hob Faliero beschwichtigend die Hand.
»Lasst sie. Was interessiert den Löwen die Wanze, die vor ihm herumkriecht?« Er wandte sich wieder an Flabanico. »Bursche, wir brauchen mehr Details. Erkläre dem hohen Gericht die Verschwörung in allen Einzelheiten.«
Flabanico nickte eifrig: »Signore Oradini und seine Hure wollten über einen Spion, der einmal in den Diensten des vorherigen Dogen stand, mit den Engländern und Franzosen in Verbindung treten.«
»Warum so umständlich? Oradini hätte als Ratsmitglied selbst die Verhandlungen führen können.«
»Es diente der Verschleierung. Engländer und Franzosen sollten nicht wissen, dass
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