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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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abgestreift wie einen billigen Mantel. Als sie die Kälte in seinen Augen sah, spuckte sie wütend aus und traf den Goldsaum seines Mantels.
    Faliero lächelte milde und fuhr fort: »Selbst Tiepolos Verschwörung steht jedoch im Schatten jener Ungeheuerlichkeit, mit der wir es hier zu tun haben. Doch wir wollen die Beweise sorgfältig prüfen, damit wir kein falsches Urteil fällen. Widerstehen wir der Versuchung, zu schnell zu richten. Fangen wir, wie es sich gehört, am Anfang an. Ich rufe den Angeklagten und Zeugen Angelo Flabanico auf. Er möge vortreten.«
    Flabanico erhob sich unsicher. Er machte ein paar ungelenke Schritte und vermied es dabei, irgendjemanden anzusehen.
    »Angelo Flabanico. Geboren in Venedig.« Faliero sprach mit strenger Stimme. »Ist das richtig?«
    »Jawohl, Maestro.«
    »Nenn mich nicht
Maestro
. Ich bin nicht dein Meister, sondern dein Richter. Die Ansprache lautet
Signore

    »Jawohl Signore. Verzeiht Signore.«
    Faliero fand die kriecherische Art des Jünglings widerlich. Trotzdem nickte er ihm nun aufmunternd zu. »Sprich. Das Hohe Gericht wartet auf deine Aussage.«
    »Signore, Ihr habt mir versichert, ich bin nicht angeklagt, sondern soll nur Zeugnis abgeben.«
    Faliero schüttelte streng den Kopf. »Natürlich bist du angeklagt – und zwar des
vitium contra natura,
mit mindestens einem der beiden anderen Angeklagten, vermutlich aber mit beiden. Kein Geringerer als Thomas von Aquin erklärte die Sodomie als eine der sechs Unterarten der Todsünde Wollust. Und hat nicht Mohammed, der Feind der Natur, die Sodomie unter den Heiden propagiert, damit die Sarazenen während der heiligen Kreuzzüge unsere Bischöfe und Knaben vergewaltigten und für ihre fleischlichen Begierden missbrauchten? Und weiß nicht jedermann, dass Gott der Herr den Schwarzen Tod auf uns herniedersandte, um damit die Juden und die Sodomiten zu bestrafen?« Falieros Zeigefinger schien auf den Jüngling einzustechen. »Also glaube nicht, du hättest dich keines schweren Verbrechens schuldig gemacht! Es gibt für dich nur einen Weg zu einer milderen Strafe: Decke das ganze Ausmaß dieser entsetzlichen Verschwörung gegen unseren ehrwürdigen Dogen und die gesamte Serenissima auf. Gib ein lückenloses Zeugnis des teuflischen Komplotts ab. Sprich jetzt – und wage es nicht, auch nur ein Wort der Unwahrheit von dir zu geben.«
    Flabanico war zunächst beinahe unter jedem einzelnen Wort Falieros zusammengezuckt, dann duckte er sich wie unter Peitschenhieben. Nun verbeugte er sich immer wieder in die Richtung seines Anklägers, bevor er zu sprechen begann: »Signore, die Bürgerin Felicia und Signore Oradini planten eine Verschwörung gegen den Dogen.«
    »Bürgerin – ha!«, unterbrach ihn Faliero höhnisch. »Eine Hure ist sie, weiter nichts! Aber sprich weiter! Erkläre, wie die Verschwörung vonstattengehen sollte.«
    »Jawohl, Signore. Die Bürgerin, verzeiht, die Hure – und Signore Oradini planten, sich im Namen des Dogen in den Krieg zwischen Frankreich und England einzumischen.«
    »Und auf welche Weise sollte dies geschehen?«
    Der Jüngling redete sich nun immer mehr in Eifer. »Signore, auf ganz hinterhältige Weise! Es ging um die Flotte Venedigs. Der Doge sollte Zusagen für deren Einsatz im Krieg zwischen England und Frankreich machen.«
    Zufrieden beobachtete Faliero, wie Pietro Dandolos Lippen zu Strichen wurden. »Weiter, immer weiter.« Seine Stimme gurrte beinahe. »Für welche der beiden Parteien sollte dies denn geschehen?«
    Aus Flabanicos Wangen war inzwischen alle Blässe gewichen. Beifallheischend und triumphierend blickte er in die Runde des
consiglio dei dieci
. »Nicht für eine Partei. Nein! Für beide. Signore Oradini und seine Hure wollten den Dienst unserer Flotte an beide Länder verkaufen: an England
und
Frankreich. Und zwar für viel Geld! Sehr viel Geld!«
    »Der Kerl ist ein unverschämter Lügner!«, schrie Oradini dazwischen und bäumte sich in seinen Fesseln auf. »Kein Wort dieser verdammten Schwuchtel ist wahr!«
    »Ruhe!«, blaffte Faliero. »Noch ein unaufgefordertes Wort und ich lasse Euch auspeitschen!« Zufrieden nahm er das zustimmende Nicken der Ratsmitglieder zur Kenntnis. Er wartete, bis die erbosten Zwischenrufe verstummt waren. Dann dienerte er zum Dogen.
    »Soll der Zeuge fortfahren?«
    Ungeduldig winkte Dandolo Zustimmung.
    »Das heißt«, nahm Faliero mit einem weiteren Diener die Ausführungen des Jungen auf, »die Welt hätte geglaubt, unser ehrwürdiger

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