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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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verbesserte William.
    »Da er stets mit gefährlichen Aufträgen für den König unterwegs ist, war es das Beste für mich. Meine Mutter ist tot, in der Welt herrschen Krieg und Pestilenz …«
    »… also entledigt man sich seines Kindes auf einer abgelegenen Hebrideninsel«, vervollständigte William meinen Satz.
    »Ja.« Nun stiegen mir doch die Tränen in die Augen und erstickten eine andere Antwort. Wollte William mir einreden, mein Vater liebe mich nicht? Ich konnte nicht klar denken, zu sehr wogten die Gefühle in mir. Da hockte ich im Hospiz eines Kölner Minoritenklosters und stritt mich mit einem Möchtegernknochengroßhändler über die Frage, ob mein Erzeuger ein Wohltäter war oder ein Rabenvater.
    »Hör auf zu heulen«, brummte William verlegen. »Ich mein ja nur.«
    Ich wischte mir über die Augen und schluchzte: »Ich heule nicht! Ich liebe meinen Vater, und er liebt mich. Er tat alles nur zu meinem Schutz!«
    »Es gibt nur einen, der dich beschützen kann, und das bin ich«, erklärte William großspurig, was mich sofort wieder wütend machte.
    »Ich kann gut auf diesen Schutz verzichten.«
    William lachte und zählte auf: »Ohne mich wärst du noch auf diesem Klostereiland …«
    »… in Sicherheit …«
    »… du hättest die Wahl gehabt, dich von den Klippen zu stürzen oder einen nach Schafsbock stinkenden Greis zu ehelichen, du wärst in Inbhir Nis der Lüsternheit der dortigen Mönche zum Opfer gefallen, und am Ende hätte dich bei Urquhart Castle ein Seeungeheuer verspeist. Ganz zu schweigen von den Unwegsamkeiten, die dich unterwegs sonst noch ohne mich erwartet hätten.«
    »Ich wäre nie nach Köln gekommen.«
    »Stimmt, du würdest immer noch die Kapelle mit unserem geschätzten Donnan von Eigg teilen.« Als William bemerkte, dass ich weiterhin weinte, schlug er einen milderen Ton an. »Na, na. Nun ist es aber genug. Wohin wärst du denn geflohen, wenn du es ohne mich bewerkstelligt hättest?«
    »Das weiß ich doch nicht«, schluchzte ich. »Irgendwohin, wo mein Vater sein könnte.«
    William runzelte die Stirn. Dann berührte er vorsichtig meine Hand. »Hast du nicht irgendeinen Anhaltspunkt?«
    »Nein.«
    »Doch.« William deutete triumphierend auf meinen Hals. »Du hast den Ring.«
    »Wie kann mir ein Ring den Weg zu meinem Vater zeigen?«
    »Es ist der Siegelring deines Vaters. Viele Menschen werden das Signum kennen. Es gilt nur, einen von ihnen zu finden.«
    Sofort versiegte mein Tränenstrom. Hoffnung keimte auf. »Du hast recht!«, rief ich. »Ich muss nur jeden fragen, den ich treffe, ob er das Siegel kennt. Wenn ich weiß, zu welchem Ort es gehört, kann ich dort nach Vater fragen. Bestimmt kann man mir dann Auskunft geben, wo er sich aufhält.«
    »Es wäre möglich«, stimmte mir William vorsichtig zu. »Ich schlag dir einen Handel vor.«
    »Welchen?«
    »Zunächst kümmern wir uns um den Reliquienhandel. Dann suchen wir deinen Vater. Deine Aufgabe besteht darin, die Zeugnisse zu schreiben.«
    »Zu fälschen.«
    William grinste schief. »Wer weiß schon, welcher Mensch tatsächlich ein Skelett mit Haut, Fleisch und all dem anderen füllte. Möglicherweise sagt dein Dokument genau die Wahrheit.«
    Ich straffte meine Schultern und streckte meine Rechte aus. »Sehr unwahrscheinlich. Wie dem auch sei. Ich gehe den Handel mit dir ein. Schlag ein.«
    William ergriff meine Hand, quetschte sie zusammen und schüttelte sie kräftig. Dann ließ er los, schien zu überlegen und meinte: »Eine solche Vereinbarung muss anders besiegelt werden. Und ehe ich mich’s versah, neigte er den Kopf zu mir herab und küsste mich auf den Mund. Dann erklärte er zufrieden: »Gut. Sehr gut. Für die Zukunft ist gesorgt. Und deinen Vater – wenn er denn noch lebt – finden wir. Versprochen.« Sprach’s und schickte sich an, das Hospiz zu verlassen.
    »Wohin gehst du?«, fragte ich erschrocken und fuhr mit den Fingern über meine Lippen.
    »In die Stadt.«
    »Wozu?«
    »Geschäfte. Ich kümmere mich um die Geschäfte.«
    »Ich komme mit.«
    »Nichts da. Du bleibst hier und ruhst dich aus.« Er zwinkerte mir zu. »Schließlich musst du auf das Ungeborene aufpassen.«

22
    William knüpft Geschäftsbeziehungen
    E ine unbestimmte Unruhe ergriff mich. Hatte ich geschlafen oder nur vor mich hin gedöst? Mir war, als wäre sehr viel Zeit vergangen, seit William das Kloster verlassen hatte. Ich blickte mich um. Wie oft hatte ich das Moos aus den Ritzen der groben Hospizmauern von Icolmkill schaben

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