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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Christenmensch weiß.«
    »Seht Ihr, ehrwürdiger Vater – wir sind zutiefst gläubig und verehren die Heilige Familie und ihr Schicksal – doch wäre es mir schon lieber, mein Weib käme nicht in einer Scheune nieder. Ein Hospiz wäre der bessere Ort, meint Ihr nicht?«
    Immer noch ruhten die Augen des Mönchs auf meinem Bauch. Er schien etwas abzuwägen. Schließlich löste er seinen Blick und sah sich um, als suche er etwas. »Das Hospiz meines Klosters zu Ehren des heiligen Franziskus ist sehr klein.« Er kaute auf seiner Unterlippe. »Hm, es könnte jedoch sein, dass gerade heute zwei Kranke, die meine Brüder geheilt haben, entlassen werden. Dann wären deren Betten frei. Wann gedenkt ihr weiterzureisen?«
    »In zwei, drei Tagen. Wie gelangen wir zu Eurem Kloster, ehrwürdiger Vater?«
    »Kennst du die Kirche Sankt Mariä Empfängnis? Das ist die Klosterkirche unserer Franziskanergemeinschaft.«
    William schüttelte bedauernd den Kopf: »Ehrwürdiger Vater, wir sind gerade erst in die Stadt gekommen.«
    »Sie ist … sie liegt …« Der Mönch drehte sich im Kreis, als hätte er selbst vergessen, woher er gekommen war. Er streckte einen Arm aus, schwenkte ihn umher und ließ ihn dann wieder sinken. »Ich bring euch hin. Folgt mir.«

    »Bist du nicht mehr ganz bei Trost?« Wütend zerrte ich am Schal unter der Jacke.
    »Schscht!«, machte William, legte beschwichtigend eine Hand auf meinen Bauch und führte mir mit reicher Mimik vor Augen, dass uns die übrigen Hospizinsassen interessiert beobachteten. Es waren zwei Frauen, die in grauen Hospizkitteln auf ihrer Bettstadt hockten. Beider Blicke flackerten wie Irrlichter. Sie waren meines Erachtens schlicht verrückt.
    »Es ist mir egal, wer zuhört«, zischte ich. »Ich bin gerade erst aus einem Kloster geflohen, da verspüre ich geringe Lust, gleich wieder in einem zu landen. Dass du das nicht verstehst!«
    »Beruhige dich.« Williams Hand ruhte auf dem Schal unter der Jacke, als läge dort tatsächlich ein Kind. »Es ist doch etwas anderes. Wir sind Gäste im Hospiz – du bist keine Nonne mehr im Konvent.«
    Ich stieß die Hand weg. »Kloster ist Kloster. Und du bist ein Lügner!«
    Er rollte mit den Augen. »Ich hab es für dich getan.«
    »Für mich?«
    »Natürlich! Dies ist ein sicherer Ort.« Er deutete nach draußen. »Du glaubst nicht, welch Abschaum sich in einer solchen Stadt herumtreibt. Diebe, Räuber, Halsabschneider. Mit dir machen sie noch etwas ganz anderes, bevor sie dir einen Knüppel überziehen.«
    Ich war immer noch wütend. »Lieber nächtige ich draußen an der Stadtmauer, als hier den Minoriten die Schwangere vorzuspielen.«
    William lachte hämisch: »So einfach ist das nicht. Schließlich gibt es den
status muri

    Obwohl ich Latein verstand, ergab es für mich keinen Sinn. »Status was?«
    »
Status muri
. Das Mauerrecht. In so einer Stadt leben viele Menschen, die keinen Platz in einem Konvent oder Hospiz finden – Bettler, Krüppel, Kranke – kurz die Ärmsten der Armen –, aber auch Beutelschneider, Schläger, Verbrecher aller Art. Die tragen Kämpfe um die besten Mauerplätze aus. Sobald man einen erworben hat, verteidigt man ihn mit Zähnen und Klauen. Du kannst nicht irgendwohin spazieren und dich häuslich niederlassen.« William zeigte seine ebenmäßigen Zähne. »Glaub mir, die Geschichte mit dem Kind in deinem Leib war wohlüberlegt. Und außerdem – war es nicht so, dass du aus dem Konvent geflohen bist, um deinen Vater zu suchen? Wenn er ein Ritter ist, wie du behauptest, wird er unter all dem lichtscheuen Lumpengesindel kaum zu finden sein.«
    »Hier in Köln sowieso nicht.«
    »Da magst du recht haben. Was weißt du über ihn, außer, dass er angeblich ein Ritter ist und – wie du glaubst – übers Meer fliegen kann, um seine Tochter zu retten?« Grinsend fügte er hinzu: »Von einem Inselchen, das in all den Stürmen bloß nicht im Meer versinkt, weil es von Schafs-, Möwendung und Nonnengesängen getragen wird.«
    »Du hast die Mönche vergessen«, erwiderte ich spitz. William befand sich augenscheinlich in einer wortreichen Phase. Zwar ärgerte mich sein Spott, doch fiel es mir schwer, seinem Lausbubenlächeln etwas entgegenzuhalten. Kaum gelang es mir, meinem Mund und meinen Augen ein Lächeln zu verbieten. »Ich weiß, dass ihn der englische König persönlich zum Ritter geschlagen hat. Auch weiß ich, dass er mich nur zu meinem eigenen Schutz nach Icolmkill gebracht hat.«
    »Hat bringen lassen«,

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