Die Knopfkönigin: Historischer Roman (insel taschenbuch) (German Edition)
Ihre Entdeckung, so einfach sie auf den ersten Blick wirken mochte, war genial und würde unbegrenzte Möglichkeiten in der Schneiderei eröffnen. Schon dachte Nele darüber nach, bei welchen Kleiderstücken sie selbst die neue Technik anwenden würde, bis ihr wieder klar wurde, dass ihre Tage im Schneiderberuf gezählt waren – sie würde ja bald die Hausherrin eines Rosshändlers werden.
In der Werkstatt kramte Franziska in Windeseile alles hervor, was sie für die neuen Kleidungsstücke benötigten: Hermanns Hosen mussten begutachtet werden, um zu entscheiden, wo man die Knöpfe anbringen wollte. Sie zeigte Maria auch ein halb fertiges Paar Beinlinge aus feinstem, schwarzen Wollstoff, die wohl für einen etwas kleineren und sehr schlanken Mann gedacht waren. »Die waren ohnehin für deinen Bruder. Ich schulde ihm einen Gefallen und habe ihm ein paar Kleidungsstücke versprochen. Ich war zwar bisher nicht besonders fleißig daran, aber das ändern wir jetzt.«
Franziska zeigte Maria, wie man die kleinen Schlitze ordentlich ausschnitt und sauber vernähte. »Der Stoff darf auf keinen Fall ausfransen, sonst war die ganze Arbeit umsonst. Am besten, du legst die Ränder ein ganz klein wenig um und nähst dann mit feinen Kreisen um diesen kleinen Steg. Ich zeige es dir.« Maria sah Franziska genau zu und versuchte ebenfalls ihr Glück. Schon nach weinigen Minuten beherrschte sie den Kniff und nähte zwar noch nicht so schnell, doch fast ebenso sauber und behände wie Franziska. Die Mädchen arbeiteten so eifrig, dass sie völlig die Zeit vergaßen. Erst als das Licht zu schwach wurde und sie kaum noch etwas sehen konnten, legten sie Nadel und Faden nieder.
Als die Näherinnen am kommenden Morgen vollzählig in der Werkstatt versammelt waren, setzte Franziska zu einer kleinen Rede an.
»Passt jetzt gut auf! Maria und ich haben uns gestern etwas ausgedacht, was es nur bei den Kleidern aus unserer Werkstatt geben wird: Ab sofort schließen wir Kleider, Wämser und Hosen nicht mehr mit Bändern und Haken, sondern mit Knöpfen!« Die Näherinnen sahen sie fragend an. Franziska hob Hermanns Hosen hoch, an die sie schöne Hornknöpfe genäht hatte. »Seht her: Man näht den Knopf, einen ganz normalen Zierknopf zum Beispiel, an den Stoff. In das Gegenstück kommt ein Schlitz, den man ordentlich säumt – und schon hat man einen schnellen, schönen und haltbaren Verschluss. Der Bund dieser Beinlinge wird durch große Knöpfe, der Hosenstall durch kleine geschlossen. Nun, was sagt ihr dazu?« Die Näherinnen scharten sich um ihre junge Herrin und begutachteten die neuartige Technik. Nachanfänglichem Staunen lobte eine jede von ihnen die großartige Idee.
»Nur zu«, sagte Franziska. »es wartet genug Arbeit! Hermanns Wams muss umgearbeitet werden, ebenso die Hosen. Und die Kleider meiner Mutter möchte ich auch noch ändern. Kommt her! Ich zeige euch genau, was zu tun ist!« Sie zeichnete mit Kreide die Stellen an, wo Knopflöcher sein sollten, und zeigte den Mädchen, wie sie genäht werden mussten. Bald zeigte sich, dass zwei Näherinnen besonderes Geschick im Säumen der Löcher hatten, und Franziska entschied, ihnen diese Arbeiten in Zukunft zu übertragen.
Es war schon Mittag, als Maria sie ansprach: »Ich denke, wir sollten rasch Handwerker suchen und beauftragen. Wir müssen einkaufen.«
»Ach so? Was denn?«, antwortete Franziska und sah von ihrer Arbeit auf.
»Knöpfe!«, rief Maria und strahlte. »Wir brauchen jede Menge Knöpfe!«
*
Bero war ungehalten und fahrig, und Ludwig gab sich Mühe, dem schlecht gelaunten Edelmann aus dem Weg zu gehen. Beros Missmut hatte einen guten Grund: Er hatte sein Pferd verloren, das ein Geschenk Siegfrieds gewesen war. Das Tier war auf der Sauhatz von einem waidwunden Eber angefallen worden, der ihm mit seinen Hauern den ganzen Bauch aufgeschlitzt hatte. Es war ein teures und gutes Reittier gewesen, zwar weder richtiges Jagdpferd noch Schlachtross, aber ein kräftiges Tier und erst acht Jahre alt. Nachdem er einige Tage Trübsal geblasen hatte und abwechselnd auf verschiedenen Tieren seines Großvaters geritten war, empfahl ihm dieser, Hermann aufzusuchen, um mit ihm über ein neues Reitpferd zu verhandeln.
Bero sandte die beiden Pagen aus, um seinen Besuch anzukündigen. Am folgenden Tag ließ er sich mit zwei Freunden einige Tiere vorführen, die Hermann auf seiner Koppel stehen hatte. Es waren allesamt sehr gute Reitpferde, doch so recht wollte ihnen keines
Weitere Kostenlose Bücher