Die Knopfmacherin
hier in der Stadt ist, werde ich sie finden.«
Alina senkte den Kopf. »Und was, wenn sie nicht hier ist?«
»Ich werde sie überall ausfindig machen. Geh jetzt wieder runter und sag dieser Vettel, dass ich einfach verschwunden sei.«
Alinas Augen weiteten sich erschrocken. »Dafür wird sie mich totschlagen.«
»Nein, ganz sicher nicht. Sie hat nur ein einziges rothaariges Mädchen – dich! Diesen Schatz wird sie so schnell nicht aus der Hand geben. Immerhin will sie den Jungfrauenpreis für dich bekommen. Solange dein Blut noch nicht fließt, wird sie dir nichts anhaben. Ich nehme an, dass ich der Erste bin, der nach dir gefragt hat?«
Alina biss sich auf die Unterlippe und nickte. Aber ihre Augen waren voller Sorge. Einen Moment rang sie mit sich, dann warf sie sich ihm flehend an die Brust. »Ihr könntet mich doch einfach mitnehmen. Alles ist besser, als hier zu sein.«
»Das geht nicht. Ihre Knechte würden dich überall suchen. Wenn sie dich bei mir finden, gibt es Ärger.« Und zwar größeren, als du ermessen kannst, fügte er stumm hinzu.
»Wenn Ihr mich aus der Stadt nach Hause brächtet, würde es keinen Ärger geben.«
Joß schüttelte den Kopf. »Es geht nicht. Warte hier noch ein paar Tage, ich werde solange deine Schwester suchen. Sobald ich sie gefunden habe, werden wir dich hier rausholen.«
Alinas Herz krampfte sich zusammen. Die Hoffnungslosigkeit übermannte sie nun noch stärker als während der Tage der Ungewissheit. »Wenn Ihr Melisande nicht findet, muss ich also hierbleiben.«
Joß Fritz rang mit sich. Ich könnte sie wirklich gleich mitnehmen, überlegte er. Aber wenn sie mich fangen, sind nicht nur meine Ziele dahin – das Mädchen wird dann auch niemand hier rausholen. Wenn der Anführer des Soldatentrupps Alina hier abgeliefert hatte, unterhielt er sicher gute Beziehungen zu der Hurenwirtin. Schneller als gedacht hatte er womöglich die Männer des Bischofs am Hals. Und dann würde Alina für immer verschwinden, denn niemand konnte ihrer Schwester Bescheid geben.
»Das wirst du nicht. Sollte ich deine Schwester nicht finden, komme ich selbst wieder her. Bitte halte noch zwei oder drei Tage aus. Danach wirst du wieder frei sein.« Joß schob sie sanft von sich. »Versteh doch, in diesem Fall müssen wir überlegt handeln. Sonst verschwindest du schneller, als dir lieb ist, wieder in diesem Haus. Das willst du sicher nicht, oder?«
Alina schüttelte den Kopf. Am liebsten hätte sie laut losgeheult, denn Angst und Verzweiflung zerrissen sie beinahe. Aber sie konnte nichts anderes tun, als dem Mann nachzuschauen, während er zum Fenster ging und es öffnete.
»Tu, was ich dir gesagt habe«, mahnte Joß Fritz sie noch einmal. »Gott beschütze dich, bis wir uns wiedersehen.«
Als er durch das Fenstergeviert verschwand, brach sie in Tränen aus.
In dieser Nacht hatte Melisande einen seltsamen Traum. Sie irrte durch ein Labyrinth von Gängen, die aus groben Feldsteinen errichtet waren. Fackellicht erhellte ihren Weg nur spärlich. Die Schatten, die in den Ecken lauerten, erschienen ihr beinahe lebendig.
Da sie fürchtete, dass rot glühende Augen sie aus der Finsternis heraus anstarren könnten, blickte sie stur geradeaus. Melisande passierte zunächst einige leerstehende Zellen, bis sie schließlich in einen Raum gelangte, der von Rauch und furchtbarem Gestank erfüllt war. Stöhnen und Wehklagen ertönten rings um sie herum. Ein Blick zur Seite offenbarte ihr die Menschen, die an die Wände gekettet waren. Teilweise hatten sich die Ketten so fest in das Fleisch gegraben, dass die Haut darunter blutig und eitrig war. Ängstlich lief das Mädchen weiter, bis es schließlich auf eine dunkle Gestalt stieß, die entweder der Kerkermeister oder der Henker war.
»Was willst du?«, fragte er mit dröhnender Stimme.
»Ich suche nach meiner Schwester. Habt Ihr ein rothaariges Mädchen von dreizehn Jahren gesehen?«
Die Augen des riesenhaften Mannes begannen zu glühen. »Deine Schwester schmort bereits in der Hölle. Wenn du versuchst, sie zu finden, wirst du ins Verderben laufen.«
Mit einem leisen Aufschrei fuhr sie von ihrem Strohsack hoch. Mondlicht fiel auf ihr Lager. In der Luft hing immer noch der Geruch des vergangenen Abendessens. Während ihr Herz raste wie nach einem schnellen Lauf, blickte sie sich um. Der Kerker war fort. Doch die Angst um Alina blieb. Was, wenn sie längst in der Hölle war?
Melisande erhob sich und begann unruhig auf und ab zu gehen. Ebenso
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